Auf der Suche nach Inspiration kamen die Maler in die Bretagne nach Pont Aven, wir suchen die Sujets der Maler und die Spuren Kommissar Dupins und finden Überraschendes.
Wir machen in der Bretagne an der Mündung des Bélon Urlaub, eine halbe Autostunde nördlich von Lorient, auf dem „Camping du Chateau de Bélon“. Maurice radelt mit einem „Bonjour“ freundlich grüßend an uns vorüber. Er campiert weiter hinten auf der Wiese unter den Bäumen in einem Mobile Home und holt sicher wieder Baguette und Eier aus dem Dorf zum Frühstück.
Als Maurice zurückkommt, bin ich gerade mit dem Tisch decken fertig und er setzt sich zu uns und erzählt: „Vor mehr als 150 Jahren hat hier der Biologe Victor Coste die Aufzucht von Austern an künstlichen Muschelbänken erforscht. Basierend seinen Erkenntnissen haben August de Solminihac und sein Kompagnon 1864 die erste Austernfarm im Gezeitenstrom des Bélon aufgebaut. Der langgezogene Fjord des Flusses eignet sich hervorragend für die Austernzucht, da bei Ebbe die Sand- und Schlickbänke gut zu begehen sind, während sie bei Flut stundenlang mit frischem Plankton aus dem Meer versorgt werden.“
Noch heute ist das Herrenhaus Chateau de Bélon im Familienbesitz und die Austernzucht die Haupteinnahmequelle neben der Austern-Verköstigung von Touristen auf einfachen Holzbänken unter Kastanien und dem schlichten Campingplatz hinter den ehemaligen Aufzuchtbaracken.
Die Radtour rund um Pont-Aven
Ein paar Kilometer zurück am Ufer des Bélon liegt unsere nächste Station, die Chapelle Saint-Leger mit einer ein paar Jahrhunderte alten Tradition. Früher standen an dieser Stelle zwei Kapellen, die nur durch den Bach, der aus der gefassten Quelle von Notre-Dame-de-Grâces fliesst, getrennt waren. Um 1850 hat man dann aus den Ruinen der beiden Kapellen die kleine Kirche gebaut, die im engen Talgrund der heiligen Quelle zweimal im Jahr Ziel einer Wallfahrt ist.
Noch heute kommen die Pilger hierher, um für die Linderung ihrer Schmerzen zu beten und baden darin kleine Kinder, die einfach nicht laufen lernen wollen oder waten im kalten Wasserbecken, um offene Wunden an den Beinen zu heilen. Die Ex-Votos in der Kapelle zeugen von der Wirksamkeit bei den Kindern, zumindest nach einigen Monaten.
Wir hätten vielleicht auch noch ein Kneippbad zur Stärkung unserer Waden nehmen sollen, denn die nächsten Kilometer führt unsere Tour immer wieder ein Stück bergauf, bis wir auf der alten Trasse der Eisenbahnstrecke nach Pont-Aven abseits des Autoverkehrs radeln.
Pont-Aven, das Idyll der Maler
Die unzähligen Galerien ringsum mit ihren kunterbunten Bildern zeugen von der anhaltenden Attraktion dieses malerischen Städtchens, nicht nur für die Künstler, die seit mehr als hundert Jahren hier die Sommer verbringen, sondern auch für die Städter, die manchmal mit einem Bild ein Stückchen dieser bunten Welt für ihren grauen Alltag daheim mitnehmen wollen.
Mehr als die alten Maler und deren Nachahmer beflügelt mich die Geschichte des verschwundenen „Gauguin-Bildes“ aus dem Krimi „Bretonische Verhältnisse“, als wir unseren Stadtbummel auf den Spuren Kommisar Dupins fortsetzen: Die Rue Auguste Brizeux hinunter zum alten Hafen mit den Segelbooten und über die Brücke bei den alten Mühlen, die heute als Bar, Crêperie oder Restaurant dienen. Hier wurde früher das „Blé noir“ aus dem Buchweizen der bretonischen Felder gemahlen und dann auf Seglern bis nach Nantes im Süden oder Brest im Norden verschifft. Der sturmsichere Fjord des Aven und der Gezeitenstrom, der auch bei wenig Wind eine Flußfahrt in beide Richtungen erlaubt, waren dafür ideale Voraussetzungen.
Die Segelschiffe, die vielen Brücken, Mühlen und Bäche, mit von Blumen gesäumten Ufern und markanten Granitbrocken mitten im Wasserlauf sind noch heute tolle Fotomotive – wenn das Licht stimmt. Da hatten die Maler früher wohl mehr Geduld und Zeit als ich!
Wir stärken uns noch mit einem Petit Café ehe wir unsere Fahrräder den steilen Berg am südöstlichen Ende des Hafens hochschieben. Da kommt der kurze Regenschauer fast wie bestellt: Verschnaufpause unter einem riesigen Lorbeerbaum, der uns trocken hält.
Unser nächstes Ziel ist das Bistrot am Hafen von Rosbras, wo Kommisar Dupin mit seiner Claire so köstlich gespeist haben soll. Was für eine Enttäuschung! Der Wirt gefällt sich im proletenhaften Gebahren eines Machos, der seine Kumpels lautstark auf der Terrasse mit Kaffee und Rotwein bei Laune hält, die Wirtin ist mit der Kinderstube ihrer kläffenden kleinen Köter beschäftigt, die sie mitten auf der Terrasse im Laufstall installiert hat. Wir trinken einen Café und Cidre und radeln weiter über Kerantiec, vorbei an einem uralten Dolmen zurück zum Chateau de Bélon und unserem idyllischen Wohnmobilplatz.
Schlemmen wie Gott in der Bretagne
Wir bestellen die Platte mit Meeresfrüchten und eine Flasche Muskadet und sind überwältigt von der überbordenden Vielfalt an Muscheln, Langustinen, Crevetten, Austern, Schnecken und der üppigen Krabbe auf Seetang in der Mitte. Würde die Platte nicht auf einer Étagiere über dem Tisch schweben, hätten wir kaum Platz für Teller und Gläser!
Jetzt verstehe ich, warum die Bretonen das nicht als Abendessen, sondern abendfüllende Unterhaltung betrachten. Wir lassen die Erlebnisse des Tages plappernd Revue passieren, knacken da mal den Panzer eines Krebses oder angeln eine Schnecke aus ihrem Gehäuse und genießen die traumhafte Aussicht auf die in der Abendsonne im Bélon schaukelnden Segelboote, die Austernbänke und die atemberaubende Szenerie des Sonnenuntergangs an der Mündung.
Eine Traumreise!