Die Atlantikküste mit weiten Sandstränden, das Kloster von St. Gildas, das Schloss Suscinio, den Garten von Kerlévenan und die Gestade am Golf von Morbihan – das alles und etliche Monumente der Megalithkultur bietet die Halbinsel von Rhuys in der südlichen Bretagne.
Saint-Gildas-de-Rhuys zu besuchen wäre ein unbedingtes Muss, hat mir Jaques der Platzwart schon bei der Anmeldung ans Herz gelegt und mir dann die Geschichte von Pierre Abélard erzählt, der vor achthundert Jahren aus Paris dorthin als Abt berufen wurde:
Die Geschichte der Kalamitäten Abt Abélards
So wurde er berühmt – aber Freunde hatte er unter ihnen nicht!
Und dann kam noch die dumme Geschichte mit Heloisa. Eine seiner Studentinnen, die er zu Hause unterrichtete, siebzehn Jahre jung, ausnehmend hübsch und dazu noch mit einem Intellekt begabt, der ihn faszinierte. So sehr, dass er sich in die romantischsten Fantasien hineinsteigerte.
So weit so gut – aber es blieb nicht bei den Fantasien, Heloisa wurde schwanger! Ihr Onkel, einer dieser berühmten Kanoniker, lies sich nur dadurch beruhigen, dass er versprach Heloisa zu heiraten, wenn diese Tatsache im vertrauten Kreise der Familie bliebe, um seinen Ruf nicht zu schädigen.
Pierre Abélard sande seine Angebetete nach Nantes zu seiner Schwester, um ihre Entbindung in Paris geheim zu halten. Wenig später wurde geheiratet. Aber ein Eheleben mit Frau und Kindern konnte er sich bei aller Fantasie für sich nicht vorstellen.
Als wird das Kind seiner Schwester überlassen und Heloisa in ein Kloster geschickt. Abélard hält sich an Seneca und widmet sich ausschließlich seiner Philosophie! Aber er hat die Rechnung ohne den empörten Onkel gemacht. Der dingt ein paar dunkle Gestalten, die Pierre Abélard im Schlaf überraschen und ihn ehe er sich`s versieht entmannen! Jetzt wird die ganze Geschichte bekannt und Abélard flieht in ein Pariser Kloster, bis er schließlich zum Abt von Saint-Gildas-de-Rhuys gewählt wird. Als er sich der Klosterpforte nähert, traut er seinen Augen kaum: Da hängen Hasenpfoten und Fuchsschwänze, die Trophäen einer wilden Jagd, an das alte Holztor des Klosters genagelt. Endlich wird ihm geöffnet und der Pförtner führt ihn in die Gemächer des kürzlich verstorbenen Abts, dessen Stelle er künftig einnehmen soll. Entsetzt erkennt er, dass dieses Kloster am Ende der Welt ihn nur seines Rufes wegen zum Abt gewählt hat! Schlimmer noch, die Mönche hofften wohl, ein gefallener Engel würde ihre bisherige Zügellosigkeit tolerieren. Gewissermaßen hatten sie damit recht, Abélard konstatiert zwar, dass sein Schützlinge nur die Regel anerkennen, die besagt, dass es keine verbindliche Klosterregel für sie gibt. Mehr noch, sie fordern von ihm, die Einnahmen des Klosters derart zu steigern, dass sie ihre Mätressen und deren vielzählige Kinder auch aushalten können. Als die Brüder aber erkennen, dass er dazu nicht n der Lage ist, wollen sie sein Scheitern in der Führung des Klosters auf ihre eigene Weise lösen. Bei einer Reise nach Nantes stirbt ein ihn begleitender, junger Mönch, nachdem er das Abélard zugedachte Abendessen an dessen Stelle zu sich genommen hatte, weil der es verschmähte. Nachdem der Knecht, der für die Zubereitung des Mahls zuständig war, Hals über Kopf das Weite suchte, wurde ihm klar, dass er mit Glück oder durch Gottes Willen einem Giftanschlag seiner Mönche knapp entkommen war. Wenig später kehrte er Saint-Gildas-de-Rhuys verbittert den Rücken.
Die schlanken Säulen mit den korinthischen Kapitellen im Altarraum und der Wandergang im Chor erinnern an die viel älteren Kirchen in Zadar und Ravenna. Hier ist das Rund jedoch zu einem später angebauten Kirchenschiff hin offen, ohne die Mystik der urchristlichen Kirche dadurch zu verlieren.
Die Schwesternschaft, die heute das Kloster betreibt, hat offensichtlich mit ihrem weltoffenen Geist die alten Dämonen der mörderischen Klosterbrüder vertrieben.
Nach einem leckeren Kaffee im Gärtchen der Bar gegenüber radeln wir weiter nach Suscinio, dem Jagdschloß der Herzöge der Bretagne. Dort wird das höfische Leben der feinen Gesellschaft in zeitgenössischen Bildern der Ausstellung anschaulich dargestellt. Welch eine Parallelwelt zum Kloster!
Das dritte Ausflugsziel, der Garten von Schloss Kerlévenan bleibt uns leider verschlossen. Der hat nur im Juli und August regelmäßig nachmittags geöffnet. Wirklich schade!
Sarzeau, der Hauptort der Halbinsel enttäuscht uns, da Nachmittags beim besten Willen außer einem Kaffee in der Bar am Rathausplatz nichts zu bekommen ist. Wir mobiliseren unsere Kekse, die als stille Reserven für solche Fälle herhalten müssen und fahren weiter nach Port Logeo, wo das Cafe an der Hafenmole gerade renoviert wird und wir deshalb den weiten Blick über den Golf von Morbihan bei einer Flasche Mineralwasser genießen:
Also strampeln wir bei leichtem Gegenwind wieder unserem Wohnmobil zu – warum hat man bei einer Radtour eigentlich immer Gegenwind?