In den Ferien fahren wir in die Bretagne – aber ist es dort nicht kalt und regnerisch? Ja auch – aber der Reiz dieser Gegend und ihrer Menschen machen die Reise trotzdem lohnenswert!
Der Wettergott hat uns den Abschied Anfang Juni aus Franken leicht gemacht und auf der Fahrt über Troyes, Orléans, Le Mans und Rennes haben schwarze Gewitterwolken mit heftigem Regen auf unser Wohnmobil prasseln lassen. Wie das so ist, wenn man Pech hat – Frankreich wird mal wieder von Streiks lahmgelegt. Als wir an der Autobahntankstelle auf der A10 tanken, hängt der Manager mir ein Schild: „Maximum 30.-€“ vor die Nase – zu spät, meine Zapfsäule zeigt 105.-€ und unsere Stellina ist wieder vollgetankt!
Spät abends kommen wir in Saint-Just, unserer ersten Station in der Bretagne an. Der Regen hat aufgehört und ein wunderbar grüner Campingplatz mit großzügigen Stellplätzen bietet Platz im Überfluss. Außer einem weiteren Wohnmobil haben nur noch ein paar Radler ihre kleinen Zeltchen aufgeschlagen. Freundlich schließen sie uns die Duschen auf und erklären uns, dass der Platzwart morgen früh kommt und die Anmeldung bis dahin Zeit hat.
Der Platzwart stellt sich als freundliche Dame von der Gemeinde heraus, die mein noch stotterndes Französisch mit einem Lächeln erträgt und mir wortreich erklärt, wie wir den Weg durch die berühmten Alignements von Le Cojoux finden. Der richtige Einstieg in die Geschichte einer der ältesten Kulturen der Welt.
Wir beginnen unsere Rundreise durch die Bretagne im Süden, um später mit der näher rückenden Ferienzeit weiter in den Norden zu ziehen, der auch im Hochsommer nicht überlaufen ist.
Die große Moor- und Heidelandschaft im Grande Brière hatten wir schon früher besucht, aber diesmal nehmen wir uns die Zeit für Kunstwerke im Chateau de Ranrouet und eine ausführliche Radtour über die acht Inseln im Moor.
Mit dem Rad erlebt man Land und Leute viel intensiver als durch das Autofenster und für Fotonarren wie mich ist anhalten, Motiv suchen und fotografieren vom Rad für alle Mitreisenden stressfreier.
Am ersten Wochenende im Juni ist in Guérande Mittelalterfest, das lassen wir uns nicht entgehen. In einer guten Stunde sind wir vom Grand Brière aus dort und parken unser Wohnmobil auf dem Stellplatz, vom dem aus wir mit dem Fahrrad in wenigen Minuten in der Altstadt sind. Wir tauchen ein in eine längst vergangene Welt. Rings um die Mauern der befestigten Stadt sind Zeltlager der Musketiere, am Wassergraben haben Handwerker ihre Werkstätten, überall rauchen die Lagerfeuer und das gegrillte Fleisch am Spieß lässt uns das Wasser im Mund zusammenlaufen. Gegen Mitternacht ist dann auf dem großen Platz vor der Kirche der Bal de Guérande zum Andenken an den hier geschlossenen Frieden.
Nach so viel Trubel, Gefidel und trötenden Schalmeien ist die Fahrt durch die Salinen nach Le Croisic ein willkommene Erholung. Wir radeln um die Halbinsel und genießen die tolle Aussicht auf die wilde Küste, entdecken ein paar Stellplätze und genießen zum Abschluß die berühmten Crêpes des „Relais du Duc d’Aiguillon“. Am nächsten Tag fahren wir weiter nach Norden über La Roche Bernard. Bei einem kleinen Bummel durch die reizvolle Altstadt stellen wir fest, dass man hier auch gut ein wenig bleiben könnte.
Für Morgen sagt der Wetterbericht tolles Wetter für eine Radtour voraus und die wollen wir über die Halbinsel von Saint Gildas-de-Rhuys machen. Der Camping Municipal de Kerver erweist sich dafür als idealer Ausgangspunkt, zumal der endlose Sandstrand bei jedem Wetter etwas bietet. Die Wiese auf dem Zeltplatz ist vertrocknet, viel scheint vom Regen der letzten Wochen hier nicht angekommen zu sein.
Ein wenig weiter im Norden, bei Port Navalo machen wir eine Küstenwanderung um die Halbinseln von Arzon, entlang des Golf du Morbihan, mit fantastischen Ausblicken auf die Inseln und die vielen Segelboote. Wieder zurück am Camping Port Sable zeigt uns dann die bretonische Sonne, dass sie auch ein Hochsommerprogramm hat und wir springen zum ersten Mal in die kühlen Fluten des Atlantik. Hier bleiben wir dann noch ein wenig, bis sich das Hochsommer-Programm schnell wieder verabschiedet und schaffen nur mit Hilfe von Rutschmatten der freundlichen italienischen Nachbarn, unser Wohnmobil die vom Nachtregen glitschige Wiese hoch zum Fahrweg zu wuchten.
Samstags ist Markttag – Zeit für einen Stadtbummel durch Vannes. Dort ist das Festival der Bücher mit interessanten Bilderbüchern und Comics, die auch für Boches beim Blättern was hergeben.
Der Markt am Samstag macht Vannes lebendiger, nicht so touristisch aufgeräumt. Wir schlendern an riesigen Pfannen mit brutzelnden Leckereien vorbei und bekommen Hunger. Wir bestellen für heute Abend einen Tisch im Restaurant „Le Di’vin“ und flüchten vor dem nächsten Regenguss in die „Crêperie Saint-Vincent“, von deren Galerie wir bei heißer Schokolade und Crêpes einen herrlichen Überblick auf das bunte Treiben auf der Straße und unter uns im Lokal haben.
Nach dem Regenguss geht’s aber ins Museum „La Cohue“, dem modernen Kunstmuseum Vannes. Das berühmte Bild des bretonischen Mädchens ist nett, lohnt aber den Besuch nicht, wenn ein ganzer Saal mit Bildern aus unterschiedlich blauer Wandfarbe die Sonderausstellung bildet. Studiert man die Erläuterungen, weil die Bilder nichts hergeben, erkennt man allerdings, dass die Malerin über Jahrzehnte mit dem wichtigsten Kurator der französischen Museen liiert war.“Ein Schelm wer Übles dabei denkt!“
Am nächsten Tag ziehen wir weiter nach Ker Eden, wo wir unter uralten, riesigen Bäumen unser Wohnmobil mit Blick auf den Golf von Larmor Baden platzieren. Bei Strandspaziergang am Abend entdecken wir draußen Gavrinis, über deren uralte Geschichte und unseren Besuch ich in Druiden von Men Gurun mehr schreibe.
Ker Eden ist ein guter Ausgangspunkt, um den Golf de Morbihan und die nähere Umgebung wie Saint-Anne d’Auray und den Champs de Martyr zu erkunden.Ein wenig östlich im Hafen Port Blanc halten auch die Rundfahrtschiffe, mit denen man auch eine ausgedehnte Kreuzfahrt durch den Golf machen kann.
Die Île-aux-Moines, die Insel der Mönche besuchen wir mit dem Fahrrad, die Pendelfähre von Port Blanc nach Le Leric benötigt keine Vorbestellung. Unsere Enttäuschung, dass Kommisar Dupins Lieblingsrestaurant Le San Francisco mittags geschlossen hatte, wurde mehr als wettgemacht durch die unnachahmliche Erfahrung im „Chez Charlemagne“ mitten unter Fischern und Touristen, die das wahre Leben suchen, zu tafeln. Die schmale Straße über die Insel ist wenig befahren, so dass es ein gemütlicher Radausflug über die Île-aux-Moines zum „Kreis des Todes“ und dem „Dolmen de Pen-Hap“ wird.
Wieder am Festland auf dem Rückweg nach Ker Eden halten wir kurz, ehe die Straße über den Damm nach Larmor Baden führt bei der Hütte des Dégustation de Fruits de Mer. Innen ein Marktstand mit Austern, Muscheln und anderem Seegetier. Hier probieren wir zum ersten Mal Austern, total rustikal auf einfachen Bierbänken, aber so lecker, dass wir die Runde gleich wiederholen. Es sollten die besten Austern unserer Reise bleiben!
Und dann schlägt das Wetter um! Für den nächsten Tag sind Regen, Nebel und eine Kaltfront angesagt. Wir beschließen einen Ruhetag hoch oben über dem tosenden Meer an den Klippen beim alten Leuchtturm von Pointe d’Arzig einzulegen und das Ganze durch die Fenster unseres wohlig warmen Wohnmobils zu genieße. Eine gute Entscheidung!
Als uns nach einem weiteren Pausentag im Schwimmbad vom Camping Le Kernest die Sonne wieder hold ist, fahren wir zu den Nadelfelsen bei Port Coton und wandern die herrlich wilde Küste mit den Augen Claude Monets entlang, der hier wochenlang immer wieder neue Bilder gemalt hat. Am Schluss der Wanderung lockt uns einer der wenigen Badestrände an der Wetsküste, aber wir haben keine Badesachen dabei – schade.
Ganz im Norden, beim Pointe des Poulains hat vor über hundert Jahren die berühmte Sarah Bernardt, der erste Weltstar des 19. Jahrhunderts, ein altes Fort der Küstenbefestigung gekauft und daraus ihr Ferienhaus gemacht. Auf den Spuren Sarah Bernardts wandern wir deshalb von der Apothekergrotte bis zum Leuchtturm am Nordkap. Wilde Küste und vor allem das romantische Feriendomizil und die Ausstellung im Museum sind ganz sicher ein unbedingtes Muss für jeden Besucher der Insel.
Ehe wir diese liebliche Insel verlassen, übernachten wir noch in Sarzon und genießen einen Abend die Atmosphäre am Hafen, den Sundowner am Kai und das unbeschwerte Urlaubsleben. Zum Abschied gönnen wir uns ein exquisites Dinner im Restaurant „Roz Avel“, dem ersten Haus am Platz. Wir haben keinen Tisch bestellt und ergattern gerade noch ein Plätzchen auf der Terrasse – trotz Decken ziemlich frisch! Aber das vorzügliche Menü ist uns ein bisschen Schlottern wert!
Am Ende einer ereignisreichen Woche wartet dann die Fähre in Le Palais auf uns. Wir sind ein wenig zu früh und der Hafenmeister winkt uns, statt der gebuchten Vindilis die noch an der Mole liegende Bangor zu nehmen. Der Lademeister wirft einen kritischen Blick auf unsere Hydraulikstützen: „Peuvent-ils aller les piston encore plus loin?“ Nein, weiter können wir die nicht einfahren – dann sollten wir besser die Vindilis nehmen, deren Landebrücke ist weniger steil! OK, werden wir uns merken!
Wir nutzen die gute Stunde, um noch ein wenig durch das wunderhübsche Le Palais zu bummeln, in den kleinen, typisch französischen Boutiquen und Lädchen zu stöbern, noch ein paar Mitbringsel einzukaufen, dann an der Mole noch einen Kaffee zu nehmen und der Vindilis beim Anlegen zuzuschauen – wir sind sowieso als Letzte dran. Jetzt kenne ich schon die Übung: Rückwärts den Kai runter, möglichst nahe am Wasser und im rechten Winkel auf die Rampe. Dann werden dicke Bohlen untergelegt, ich schlage voll nach links ein, gebe Vollgas, lasse die Kupplung schleifen und los geht’s im Schneckentempo mit heulenden Reifen rückwärts auf die Fähre – nur dass diesmal unser Wohnmobil gefährlich schaukelt. Aber alles ging gut!
Die letzten paar Tage verbringen wir weiter im Norden der Bretagne, bei Pont Aven, dem berühmten Künstlerstädtchen das die Maler im 19. Jahrhundert zu ihrer Ferienkolonie erkoren hatten.
Wir wählen den Camping du Chatêau de Bélon als Station und entdecken Austern und andere Schalentiere. Unsere Radtour auf der Halbinsel zwischen Bélon und Aven kreuzt die Spuren Kommisar Dupins ein paar Mal und nicht immer teilen wir seine Vorlieben, aber die Plats de Fruits de Mer bei „Chez Jacky“ ist unschlagbar gut!
Auf der Rückfahrt machen wir noch am Chateau Josselin Station, um das schöne Wetter für eine letzte Radtour durch das Valle d‘Oust bis nach Guillac und am Kanal Nantes-Brest zurück nach Josselin zu nutzen. Hübsch hergerichtete Schleusenhäuschen und romantische Ferienkähne liefern immer wieder reizende Motive.
Nach einem kurzen Bummel durch Josselin besichtigen wir noch das Schloss. Da es noch bewohnt ist, geht das nur im Rahmen einer Führung. Auch nach einigen Wochen Urlaub in der Bretagne reicht mein Französisch nur, um ein paar Brocken aufzuschnappen. Sehenswert war es aber allemal!
Jetzt wird es höchste Zeit, dass wir uns auf den Heimweg machen. Eigentlich schön, wenn man nur einen Bruchteil von dem erfahren hat, was eine Urlaubsregion zu bieten hat, dann darf man sich schon bei er Heimfahrt auf‘s Wiederkommen freuen – und wir fahren wieder in die Bretagne!
Hier spielt die bretonische Musikgruppe WARAOK aus ihrem Album „Liesse“ wie auf dem Bal de Guérande: