Unweit von Ica, einer landwirtschaftlich geprägten Stadt in der pazifischen Tiefebene Perus, liegt die Oase Huaca China inmitten der ausgedehnten Sandwüste, die das fruchtbare Tal von Ica vom Pazifik trennt. Dieses Wunder mit grünen Palmen und kühlem Wasser haben schon die Ahnen der Peruaner als heilige Quelle verehrt.
Der Quellnymphe der Alten wurde in der Dichtung von Jose Santos Chocanos zur unsterblichen Meerjungfrau, die noch heute in hellen Mondnächten ihre verführerischen Lieder singt:
Die blonde Prinzessin singt so unbeschreiblich schön, dass es niemand gibt, den ihr Lied nicht zum Weinen bringt. Kennst du die ganze Geschichte der Huaca China – die jeden zum Weinen bringt?
Es war einmal ein großes Loch, das sich plötzlich im Sand vor dem Berg Algarrobo geöffnet hat und sich mit sauberen Wasser füllte und in dem die Prinzessin ihre weiße und verführerische Nacktheit badete. Welcher Bildhauer hat so etwas je geschaffen?
Sie steigt aus ihrem prickelnden, kalten Bad, in ein Tuch gewickelt, das die Kurven ihrer Eleganz betont. Als sie sich in einem Spiegel betrachtet, entdeckt sie einen Jäger, der hinter ihr stand und sie betrachtete.
Verwirrt schreckt sie auf und springt behende über einen Brombeerstrauch. Ohne auf irgendetwas zu achten, flieht sie mit hoch gehaltenem Spiegel in die sandige Savanne.
Noch eine Brombeerranke, noch ein Sprung mit schon nachlassender Kraft – gestolpert, eine Faust, ein Tumult, der Spiegel fällt in hohem Bogen in den Sand und zerbricht.
Der zerbrochene Spiegel verwandelte sich in einen klaren See, die Prinzessin in eine Seejungfrau, die in ihm Schutz findet und noch heute in klaren Vollmondnächten ihre Lieder singt.
Schöner kann niemand den Zauber dieser Oase beschreiben, der leider verfliegt, wenn sich die Backpacker mit ihren Sandbords im Jeep mit heulendem Motor auf die Dünnen karren lassen, um mit Juchzen und Geheul den steilen Hang herunter zu brettern.
Aber die werden die Huaca China auch nie singen hören!
Gedicht von Jose Santos Chocano (1875 – 1934), deutsche Übersetzung Dr. Wolfgang Brendel