Das Orakel von Delphi über einer rauchenden Erdspalte hatte im Altertum ein Pendant in Dodona, im Norden Griechenlands. Dort war es das Rauschen der Eichen und der Flügelschlag der Vögel in ihrem Wipfel, welche den Sehenden den Blick in die Zukunft offenbarte und das schon vor 5.000 Jahren.
Die heiligen Eichen
Das war vor 5.000 Jahren zu Zeiten des mystischen Volkes der Pelasger noch anders. Hier in Dodona wurde Gaia, die Göttin der Mutter Erde verehrt und ihre Priesterinnen konnten denen, die hierherkamen um in die Zukunft zu sehen, aus dem Raunen der heiligen Eiche Zeichen deuten. Als dann viele hundert Jahre später fremde Griechen in Epirus einwanderten, brachten diese ihre eigenen Götter mit.
Zeus, der mächtigste unter ihnen, stand fortan im Zentrum der Verehrung – die Prophezeiungen aber lebten fort. Denn aus Gaia wurde Dione, deren Name sich von Dias, dem griechischen Namen des Zeus ableitet. Sie wurde zu seiner Gemahlin und ihre Gabe als Seherin wurde auf Zeus projiziert. Zusammen wurde das göttliche Paar dann weiterhin in Dodona verehrt.
Drei junge Peleiaden widmeten sich der Verehrung der ursprünglichen Göttin und die männlichen Elloi dienten Zeus als Priester. Kein Tempel, keine Säulen, sondern allein die heilige Eiche, in deren Wurzeln die Götter wohnten, war das Zentrum der Verehrung. Alle Riten fanden im Freien statt, das Orakel sprachen die Priester aus dem Rauschen der Eiche und dem Gurren der Tauben in ihrer Krone.
Der Kult lebt fort!
Alle sind in lange schwarze Gewänder gehüllt und bilden einen großen Kreis um die zwei Protagonisten des Stücks: Dione, in einer leuchtend roten Robe und Zeus als Jäger gekleidet – der Kult lebt fort!
Das älteste Orakel wird modernisiert
Erst als der Stadtstaat von Korinth um 800 v.Chr. Kolonien in Epirus gründete, wurde die Eiche ringförmig mit Kupferkesseln auf je einem Dreifuss umgegeben, aus deren Klang die Priester das Orakel hörten, wenn der Bittsteller die Kessel schlug. Erst später wurden die Fragen auf Bleitäfelchen notiert und manchmal das Orakel auf deren Rückseite.
Das Orakel war in der griechischen Antike so berühmt, dass Homer in seiner Dichtung Odysseus das Heiligtum besuchen lässt, um die Eiche zu fragen, wie er nach Ithaka zurückkehren werde (mehr im Archiv: Das Heiligtum von Dodona).
Die Blütezeit und Zerstörung des Tempels
Nachdem der Tempel 219 v.Chr. vom Aitolischen Bund auf einem Kriegszug zerstört worden war, wurde er größer wiederaufgebaut, um fast 50 Jahre später bei der Eroberung Griechenlands durch die Römer das gleiche Schicksal ein zweites Mal zu erleiden.
Aber auch dieses Mal wurde das heilige Haus des göttlichen Paares mit der riesigen Eiche im Hof wieder in Stand gesetzt und die Propyläen am Eingangstor erzählten ihre Geschichte noch Jahrhunderte lang, bis sie 392 von christlichen Eiferern gefällt und die Steine und Säulen des Tempels zur Errichtung einer Basilika auf seinen Ruinen verwendet wurden. Welch ein Frevel!