Im Norden Griechenlands wandelten einst die Apostel Paulus und Silas und gründeten die ersten christlichen Gemeinden. Aus dem Neuen Testament kennen wir noch heute die Briefe, welche Paulus später an sie geschrieben hat. Auf ihren Spuren zu wandern ist auch heute noch ein berührendes Erlebnis.
Mit dem Segelschiff nach Chalkidiki
Das gefährliche Kap am 2.030m hohen Berg Athos, vor dem schon die Kriegsflotte des persischen Eroberers Xerxes von einem Sturm vernichtet wurde, lies sich damals je vermeiden, wenn man den Kanal bei Iseros nutzte, den Xerxes für seinen zweiten Feldzug gegen den Attischen Bund drei Jahre lang graben lies, um diesmal seine Flotte nördlich des Athos durchzuschleusen.
Bis zum Hafen Ormos Panagias auf Sithonia, von dem heute noch die Ausflugsschiffe zu den Klöstern auf Athos ablegen, war es für die Apostel dann eine kurze Segeltour von ein paar Stunden, wenn der Wind günstig stand.
Sithonia, dem mittleren der drei Finger der Chalkidiki, mussten die Apostel dann aber zu Fuss überqueren, um bei Elia Nikitis wieder ein Schiff für die Weiterreise nach Thessaloniki besteigen zu können.
Und genau dort beginnt unsere Wanderung zur Kapelle Agios Pavlos.
Auf den Spuren der Heiligen
Aber jetzt machen wir uns mit zwei großen Flaschen Wasser und Cola, einer kleinen Flasche Retsina, Brot, Käse und Wildschweinschinken im Rucksack auf den Weg in die Berge von Sithonia. Gott sei Dank ist der Aufstieg auf dem schmalen Schottersträßchen nicht zu steil und nach einer knappen Stunde erreichen wir den Funkmast, zu dem das Sträßchen führt. Ein herrlicher Fernblick auf südöstliche Küste von Sithonia bis Neos Marmara und Porto Carras zeigt uns, wo wir noch vor wenigen Tagen auf dem Camping Stavros mit der Schildkröteninsel am Horizont, gebadet haben.
Nach einem weiteren Viertelstündchen erreichen wir unser erstes Zwischenziel, die runden Felsen am Gipfel des 299m hohen Petros. Ein großes Steinmännchen markiert den Beginn eines schmalen Pfades, der zum Klettersteig auf den Gipfel führt. Den schenken wir uns, machen Cola-Pause und verschnaufen auf den dicken Wurzeln einer uralten Kiefer.
Im Felsenlabyrinth
Immer wieder überraschend Blüten von Zistrosen und mir unbekannten Sträuchern, einmal zwei dunkelgrün und lila schimmernde Käfer, welche die Blüte einer riesigen Herkulesstaude abweiden. Nach gut zwei Stunden endet unser Pfad aus dem Labyrinth der Felsen auf einer breiten Sandpiste, die uns nach kurzer Zeit zu unserem Ziel Agios Pavlos bringt.
Wundersame Labung
Ein paar Schritte weiter unten ist ein Wasserhahn, an dem die Griechen ihre großen Kanister abfüllen und die Holztische unter dem uralten, riesigen Bergahorn laden uns ausdrücklich zur Rast ein. Statt Brunnenwasser nehmen wir unseren Retsina zum Vesper und genießen die Ruhepause auf den Bänken bis uns der Ruf des Raben wieder weckt.
Wundersame Rettung
Ein unscheinbarer Wegweiser an der Hauptstraße weist dort auf das „Holy Water of Apostolos Pavlos“ hin. In einem umzäunten, schattigen Garten steht ein uralter Olivenbaum mitten in einem Blumenbeet und dahinter eine unscheinbare Kapelle mit einem ummauerten Ofen daneben, in dem die Kerzen feuersicher abgebrannt werden können.
Die Türe zur Kapelle stand damals offen und im Halbdunkel dahinter führten Stufen in einen kleinen Raum mit Ikonen, der von Kerzen kaum erleuchtet war. Nut gebückt konnte ich die niedere Tür durchschreiten und stellte überrascht fest, dass weitere Stufen noch tiefer ins Dunkel führten. Fast auf allen Vieren krabbelte ich durch den engen, von wenigen Lichtern spärlich erleuchteten Gang, um nach zwanzig Schritten, die letzten Meter auf den Knien zurücklegend, eine Kammer zu erreichen, in der Wasser von der Decke tropfte –das heilige Wasser des Apostel Paulus!
Hier soll dieser nämlich wieder das Tageslicht erblickt haben, als er, um seinen Verfolgern zu entkommen, mit seinem Stab woanders den Felsen gespalten hat und vom Dunkel der Erde verschluckt wurde.
Der Gang in der Kapelle auf Kassandra gehört zu einem makedonischen Heldengrab und ist etwa 2.500 Jahre alt, existierte zu Zeiten von Paulus und Silas also bereits und wurde von den heidnischen Einwohnern vermutlich als mystische Stätte der Erdgottheit verehrt. Was liegt also näher, als dass der Prophet eines neuen Gottes der heiligen Quelle entspringt?