Der schwere Duft von Räucherstäbchen steigt mir in die Nase, noch bevor die Mekong-Sun an der Mündung des Nam Ou in den Mekong am Ufer einer Sandbank sicher vertäut ist. Trotz der frühen Morgenstunden haben die Frauen aus dem Dorf Pak Ou den Altar in der Grotte über dem Fluss schon mit Blumen und Räucherstäbchen geschmückt.
Tham Thing, die Grotte mit der Heiligen Quelle
Es wird erzählt, dass diese Grotte bereits seit dem achten Jahrhundert, als das Volk der Lao aus Südchina eingewandert ist, für spirituelle Feiern genutzt wird. Sie verehren hier Phi, ein Flussgottheit, die den Geist des Mekong verkörpert und der in der Regenzeit besänftigt werden musste, damit er sich wieder in sein angestammtes Flussbett zurückzog. An den dann trocken fallenden fruchtbaren Ufern und auf den frisch angeschwemmten Sandbänken säten die Lao schon immer Reis und Erdnüsse an.
Erst im 14. Jahrhundert nahm das Königshaus mit der Überführung der Buddha-Statue Pha Bang aus Angkor Wat nach Luang Prabang den Buddhismus als Staatsreligion auf und unterstellten die Grotten bis zu Abdankung des letzten Königs 1975 seinem persönlichen Schutz. Jedes Jahr um das Neujahrsfest im April unternahmen der König und die Bevölkerung von Luang Prabang eine Wallfahrt zu den Grotten. Vor allem in den letzten dreihundert Jahren wurden von der königlichen Familie Künstler beauftragt, Buddha-Statuen herzustellen, die dann in der Grotte gestiftet wurden.
Am Altar direkt links von der Eingangstreppe sind Blumen, grüne Kegel aus Bananenblättern, Kerzen und Räucherstäbchen als Opfergaben zu Füßen des goldenen Buddhas drapiert. Die Skulptur eines Einsiedlers auf der unteren Plattform wird mit heilsamen Waldkräutern aus dem umliegenden Dschungel in Verbindung gebracht. Während auf der oberen Plattform eine Skulptur, einer Stupa nicht unähnlich, von unzähligen Buddha Figuren umringt ist, enthält der kleine Chedi auf der nach Süden blickenden Klippe die Asche eines kürzlich verstorbenen Dorfältesten.
Das Wasser einer kleinen heiligen Quelle im Inneren der Grotte wurde früher für die rituellen Waschungen anlässlich des Neujahrsfestes verwendet. Heute zaubern das Wasser und die grünen Mose, die auf den Felsen wachsen, einen Regenbogen harmonischer Erdfarben an der Rückwand der Grotte.
Tham Phum, die Höhle der tausend Buddhas
Im Inneren ist links eine geschnitzte Wasserrinne, die in einem Miniaturhäuschen endet, in dem die Buddha-Figuren einmal jährlich einer rituellen Waschung unterzogen werden, um sie vom Staub der Zeit zu befreien. Am oberen Ende, wo das Wasser von Priester eingefüllt wird, ist ein stilisierter Schwan, während am unteren Ende ein Drachenkopf das Wasser in das Waschhäuschen speit, in das die kleinen Buddhas für die Reinigung gestellt werden.
Nach vielen tapsigen Schritten in der stockfinsteren Höhle, die von unseren Taschenlampen nur spärlich erleuchtet wird, erkennen wir die vielen tausend Figuren auf stufenartigen Podesten. Sehr viele davon vergoldet, außerordentlich kunstvoll und von handspannenklein bis zu metergroß. Die meisten sind aus Holz geschnitzt oder einer Mischung aus Kautschuk und Baumharz geformt, dann mit vielen Schichten schwarzem oder rotem Lack überzogen und schließlich mit Blattgold beklebt. Einige sind auch aus Büffelhorn geschnitzt oder in Bronze gegossen.
Es kommen einige weitere der über einhundert Posen Buddhas vor (Details siehe unten), bei denen man an der Haartracht unterscheiden kann, ob es sich um eine Szene aus dem Leben Siddharthas (geflochtenes Haar mit geschlossener Lotosblüte auf dem Kopf) oder nach der Erleuchtung als Buddha handelt (Flamme statt Lotosknospe über dem Kopf).
Ban Muang Keo, das Dorf der Weberinnen
Im Dorf treffen wir wieder auf unsere Weggefährten, die mit dem Boot zurückgefahren sind und jetzt auf einer Bank im Schatten eines blühenden Baumes auf uns warten. Rechts und links der Dorfstraße haben die Frauen Seidenschals in allen erdenklichen Farben im typischen Elefantenmuster des Dorfes zum Verkauf ausgestellt. Auf der einen oder anderen Veranda steht noch einer der altertümlichen Webstühle, auf denen die Stoffe von Hand gewebt werden. Die Schiffchen mit den bunten Seidenfäden sehen aus, wie die im Allgäu für Leinenstoffe verwendeten.
Am Ende des Dorfes ist unter einem schattenspendenden Dach eine Schnapsbrennerei, in der einheimischer Lao Lao gebrannt wird. Nichts für Genießer, eher für hartgesottene Trinker. Wir ziehen es vor, auf schmalem Weg zum Mekongufer hinunter zu spazieren und den Kindern beim Baden zuzusehen, ehe uns das Longtail wieder zur Mekong-Sun übersetzt und wir unsere Reise auf dem Sonnendeck fortsetzen.
Die Posen und die Handhaltung der Statuen
symbolisieren wichtige Stationen im Leben Buddhas:
- „Den Regen herbeirufend“ stehend, die Arme seitwärts hängend und die gestreckten Hände zum Boden zeigend ist die häufigste Form, da die Höhle zu Beginn der Regenzeit am Neujahrsfest vom König besucht wurde;
- „Die Mutter Erde zur Zeugin anrufend“ sitzend , mit verschränkten Beinen die rechte Hand zur Erde weisend, die Linke offen im Schoß liegend, zeigt Buddha im Augenblick der Erleuchtung;
- „Der meditierende Buddha“ sitzt im Schneidersitz, die Hände im Schoß offen ineinander gelegt, die Augen mehr oder weniger geschlossen;
- „Der Streit schlichtende Buddha“ steht beide Hände vor der Brust mit den Handflächen nach vorne zeigend, um zwei Parteien zur Besonnenheit zu ermahnen und bezieht sich auf eine Begebenheit in der Familie Siddharthas, wo um das Wasser des Flusses gestritten wurde.
- „Der liegende Buddha“ ruht mit gestreckten Beinen auf der rechten Seite und stützt den Kopf in die rechte Hand. Hier geht der Buddha ins Nirwana über, nachdem ein Almosengeber verdorbenes Schweinefleisch gespendet hat, das letztlich zu einer tödlichen Vergiftung führte, wie die Legende berichtet.