Vorsichtig, die nur wenig aus den braunen, brausenden Fluten ragenden Felsen umschiffend, knattert unser Longtail-Boot einen Nebenfluss des Mekong, den Nam Tha, stromaufwärts.
Reisende von der Mekong Sun sind hier immer willkommen, bedeuten sie doch Wertschätzung, die Fremde dem Dorf entgegenbringen. Der Dorfchef begrüßt uns denn auch überschwänglich und schüttelt jedem nach deutscher Sitte persönlich die Hand zum Willkommen. Nicht ganz uneigennützig will eine Alte in der Umhängetasche unseres Guides schauen, ob nicht vielleicht ein neues Hemd für ihren Sohn drin ist.
Die Schulkinder singen für uns ein Begrüßungslied auf der Wiese im Schatten vor dem Klassenzimmer und freuen sich über die unerwartete Abwechslung. Zu unserer Unterhaltung wird das alte Märchen vom Mangobaum erzählt, das sich natürlich vor vielen Jahren just hier in diesem Dorf zugetragen haben soll:
Das Märchen vom Mangobaum
Eines Tages fanden sie den Baum von einem hohen Kral aus Bambus eingezäunt und von knurrenden Hunden bewacht. Als sie zu weinen anfingen, weil die schönen Früchte plötzlich unerreichbar waren, erschien ein alter Mann mit einem langen Stock und verscheuchte sie mit den Worten “Der Baum und seine Früchte gehören jetzt mir – lasst euch hier nicht mehr blicken!” Ins Dorf zurück gekehrt, erzählten sie dem Dorfältesten von dem alten Mann und seinen bissigen Hunden. Am nächsten Tag schickte der seine kleine Tochter – ein tapferes Mädchen – mit getrocknetem Fleisch und einem großen Korb zum Mangobaum. Das Mädchen fütterte die Hunde mit dem Fleisch und schlüpfte dann durch den Bambuszaun. Dort pflückte sie eine reife Mango und biss herzhaft hinein. Da kam der Alte, schimpfte lautstark und wollte das Mädchen mit bösen Blicken und groben Flüchen verscheuchen. Da fiel das Mädchen wie vom Blitz getroffen um und begann sich am Boden zu winden und zu weinen. Wie „zufällig“ kam der Dorfälteste herbei und fragte den Alten: “Du Elender, was hast du dem Mädchen angetan?” Der war ganz erschrocken und erwiderte “Es hat von meinen Früchten gegessen und ist dann plötzlich umgefallen!” “Wenn das so ist, hat der Baum die Mangokrankheit” beschied ihm der Dorfälteste. “Alle zwölf Jahre haben die Mangobäume eine seltsame Krankheit und man weiss nie, welcher Baum dieses Jahr befallen ist, bis ein Tapferer sich findet, die erste Frucht zu essen.” Sprach’s, hob er das Mädchen und den Korb vom Boden auf und trug beides heim. Als die Kinder am nächsten Tag wieder zum Mangobaum gingen, war der Kral verschwunden und der alte Mann mit seinen Hunden auch.”