Tief unter uns liegt Bodenmais und das Zellertal, die schneeweißen Wiesen im krassen Kontrast zu den stockschwarzen Tannen und Fichten, denen die Wintersonne ihre Eiszapfen in den letzten Tagen weggeschleckt hat. Im Osten lugt der Gipfel des Großen Arber über die Wälder von Bretterschachten, die Bergfichten noch mit einem eisigen Panzer bedeckt unter dessen Schneelast sie sich fast zum Boden neigen.
Der Silberberg
Mit dem Sessellift sind wir innerhalb weniger Minuten vom Tal bis zur Mittelstation am Silberberg geschwebt, unter uns noch der tiefe Schnee, nur von der Spur eines einsamen Schneeschuh-Wanderers durchzogen. Ob er wohl dem guten Waldgeist begegnet ist, von dem mir erzählt wurde, dass er sich nur selten sehen lies?
Aber wenn sich ein Wanderer im tiefen Wald verlaufen hatte oder die Kinder beim Schwammerl suchen den Heimweg nicht mehr fanden, führte er sie stumm zum Waldrand und wies ihnen den Weg zurück ins Tal.
Auch wenn die Graskirm auf den Schultern drückte und die Bäuerin schwer beladen den Silberberg hinauf schnaufte, soll er ihr die Last ein Stück des Wegs abgenommen haben. Aber es ist schon viele Jahrzehnte her, dass ein Hirte den weißen Bart des Waldgeists aus einem verlassenen Stollen hat leuchten sehen.
Das uralte Bergwerk
Von der Entdeckung der reichen Erzvorkommen am Silberberg und der Erschließung der Gottesgrab Grube erzählt die Sage:
„Das muss einmal eine reiche Erzader gewesen sein, die der, der sie gefunden hat, aber nie jemand verraten hat. Er muss aus Böhmen gekommen sein und ein paar Jahre gegraben und gehauen haben, ehe sie ihm draufgekommen sind. Er hatte einen magischen Spiegel, mit dem er in die Felsen und Spalten schauen konnte, um die reichsten Stellen zu finden. Steinreich soll er mit all dem Silber und Gold geworden sein. Aber niemand weiß bis heute wohin er eines Tages verschwand. Die Bodenmaiser hatten so etwas noch nie erlebt und glauben noch heute, dass ihn der Teufel geholt hat.“
Es wird erzählt, dass das Weib eines Arbeiters der Vitriolhütte ihre Ziegen in der Nähe der alten Gottesgab Grube grasen lies. Als sie am Abend alle wieder heimtreiben wollte, fehlte eine Geiß. Nach längerem Suchen hörte sie dieses aus einer alten Abteufung meckern, in die sie gestürzt war. Als die Bergarbeiter die Ziege bargen, entdeckten sie eine reiche Erzader mit Bleiglanz, der im Bayerischen Wald auch Silber enthält.
Die Legende berichtet, dass die Bergmänner daraufhin ein wenig übergeschnappt waren, gespielt und gesoffen haben und so ihr Glück umsonst gewesen ist.
Der Bischof aber, dem das Gebiet ringsum vom Herzog als Lehen übertragen worden war, lies 1463 den Barbarastollen an der Stelle anlegen, an der die Ziege gefunden wurde.
Die Hölle auf Erden
Von der Mittelstation der Seilbahn sind es nur ein paar Schritte bis zum Tor des Barbarastollens, wo ein junger Steiger auf uns wartet, um uns ins Silberbergwerk zu führen. Zuerst müssen wir noch blaue Umhänge überziehen und gelbe Helme aufsetzen. Später werde ich mich dankbar daran erinnern, wenn der Helm mit dumpfem Schlag gegen einen Deckenstein rumst, weil ich mich nicht auf Zwergengröße zusammenfalten kann.
Wir fahren in den mehr als 500 Jahre alten Barbarastollen ein und folgen den verrosteten Schienen immer tiefer in den Berg, auf denen die Grubenhunte mit dem gehauenen Erz geschoben worden sind. Wir kommen an der elektrisch angetriebenen Doppelkolbenpumpe vorbei, die vor hundert Jahren die Druckluft für die Bohrhämmer mit Höllenlärm erzeugt hat. Als wir bis zum gigantischen Barbaraverhau vordringen, verschlägt es uns schier den Atem. Jahrhunderte lang wurde hier durch Feuer setzen der Gneis des Urgesteins mit den Erzadern so stark erhitzt, dass er Risse bekam, wenn die Hauer ihn mit kaltem Wasser abspritzten.
Die Arbeit unter Tage beim spärlichen Licht der Kienspanfackeln, dem Qualm der Feuer und dem Wasserdampf der Löscheimer muss ein Vorgeschmack auf die Hölle gewesen sein.
Auf langen Leitern stiegen die Hauer zu den engen Stollen an den Wänden des Barbaraverhaus hinauf, um den Erzadern tief im Gestein hinein folgen. Mit Hammer und Meißel wurde das rissige Gestein mit dem Erz dann abgeschlagen. Dort konnte man nur auf allen Vieren krabbeln und musste das gebrochene Erz dann im Korb über Leitern und schmale Holzstege zum nächsten, größeren Stollen bringen, wo es dann in einen Grubenhunt gefüllt wurde.
Als mit der Erfindung des Dynamits vor 150Jahren das Sprengen das Hauen ablöste, wurden mit Bohrhämmern tiefe Löcher in den Felsen gebohrt und dann mit Dynamit gesprengt. Im feuchten Klima des Bergwerks mit dem eindringenden Sickerwasser löste sich jedoch das Nitroglycerin leicht aus den Dynamitstangen, sammelte sich unbemerkt in Ritzen und kleinen Spalten, um bei der kleinsten Erschütterung in die Luft zu fliegen. Alt wurden die Bergmänner in der Regel nicht!
Zeitungsausschnitte zum Bergwerk finden Sie hier im Archiv.
Die Sage von der Silberfee
„Eines Tages trugen die Steiger einen Hauer auf dem Totenbrett vom Steinriegel hinunter nach Bodenmais zu seinem Weib und seinen sieben Kindern, wo sie ihn auf die Bank vorm Haus legten. Die Weiber klagten und die Kinder weinten und wussten in ihrer Not nicht aus noch ein. Da machte sich der älteste Bub auf und stieg auf den Silberberg, um die Silberfee zu suchen, von der es hieß, dass sie den Armen hilft, die unverschuldet in Not geraten waren.
Als es dunkel wurde, hörte er die Wölfe heulen, aber er gab seine Suche nicht auf und fand die gute Fee schließlich am Eingang zu einem im Gebüsch verborgenen Schacht. Er erzählte ihr von seinem Kummer und der Not seiner Mutter und Geschwister. Da packte ihm die Silberfee drei Stangen gediegenen Silber in den Korb zusammen mit Käse und Brot für den Weg nach Passau, den sie ihm vom Gipfel des Silberbergs aus über die Höhen des Waldes hinweg beschrieb. In Passau sollte er den Schatz beim Silberschmied gegen Geld tauschen.
So ist die Familie des toten Hauers doch noch zu einem glücklichen Leben gekommen.
Der junge Bursche aber hat eines Tages sein Bündel geschnürt und ist nach Passau zum Silberschmied in die Lehre gegangen. Dort hat er viele Jahre später die hübsche Tochter des Meisters geheiratet und die ganze Stadt war voll des Lobes über den tüchtigen, jungen Silberschmied, der den edelsten Schmuck der ganzen Stadt herstellte.“
Und wenn die Silberfee nicht gestorben ist, dann lebt sie noch heute auf dem Silberberg. Vielleicht haben Sie Glück und entdecken Sie auf ihrer Wanderung!