Eine Pilgerwanderung ermöglicht nicht nur eine innere Einkehr und das Freiwerden von scheinbaren Zwängen, sie hat auch eine geistige Wiedergeburt zum Ziel, für die man nicht bis Santiago di Compostela pilgern muss.
Auf zur Giechburg …
Wohlgemut folgen wir dem Frankenweg durch die Felder und Obsthaine in Richtung zur Giechburg, deren Ruine wir schon von weitem auf dem Berg sehen können. Eine kleine Kapelle am Wegrand mit einer Kreuzabnahme erinnert an den Einödhof, der hier vor vielen Jahrzehnten stand. Welches Schicksal die Mutter wohl ertragen musste um so ein Vermächtnis zu hinterlassen?
Durch hohen Tann steigen wir aus dem Talgrund wieder langsam den Berg hinauf. Am großen Wanderparkplatz, an dem der Kunstweg abzweigt, staunen wir über vier mächtige Holzfiguren, an denen wir an einer den Bischof von Bamberg an seinem Hut erkennen.
Wir folgen dem Fahrweg zur Giechburg und wundern uns über die vielen Autos, die mit Karacho an uns schwitzenden Wanderern so knapp vorbeibrausen, dass wir den Staub der Straße in den Augen haben.
… und gleich weiter!
Wir gehen nördlich um den Burgberg herum und wandern über extensiv bewirtschaftete Wiesen hinunter zum Kreuzweg, der vom Wanderparkplatz direkt zum Gügel führt. Hier blühen Margeriten und Sauerklee, Wiesenschaumkraut und Wegewarte wie in alten Zeiten. Am Waldrand begrüßt uns eine Tafel mit Franz von Assisis Sonnengesang.
Wie neu geboren
Folgt man dem Kreuzweg hier am Waldrand nach links, erreicht man die Gügelkirche von Nordwesten und staunt über die mächtige Treppe, die über eine Bogenbrücke zum Hauptportal aufsteigt, wie die Treppe auf der uralten Maya-Pyramide der Kathedrale von Chichicastenango in Guatemala. Hier fehlt nur der berauschende Rauch vom Kobal, der dem Wanderer die Sinne benebelt.
Dafür bietet die Gügelkirche eine andere, einzigartige Erfahrung (mehr zur Gügelkirche im Archiv). Wir gehen unter der Treppenbrücke durch und umrunden den Felsen, auf dem der Anbau mit der Sakristei errichtet wurde. Ehe sich der Weg mit einer Treppe zum Gasthaus absenkt, ist linker Hand eine doppelflügelige Tür zur Mariengrotte aus fränkischem Muschelkalk im Stil von Lourdes. Hier, im tiefen Untergeschoß der Kirche beginnt das Pilgerwunder. Nachdem mein Freund zwei Kerzen zum Dank für den wunderbaren Schutz auf unserer Wanderung angezündet hat, legen wir Wanderstab und Rucksack zu Füßen Marias ab und halten inne. Nur durch die Kerzen und das wenige Licht, das durch den Spalt der halbgeschlossenen Tür fällt, wird die Grotte der Gottesmutter erleuchtet. Wir fühlen uns geborgen im Dunkel und sind mit unseren Gedanken und Sorgen allein..
Die Grotte lädt uns ein, all dies hinter uns zu lassen, wenn wir die enge, dunkle und steile Wendeltreppe erklimmen. Nach einigen Umdrehungen stehen wir im Halbdunkel auf einer Balustrade und blicken auf die Grotte und unsere Sorgen da unten zurück. Ein schmaler Gang führt an der Nische des Heiligen Grabes vorbei, das durch einen Vorhang vor unseren Blicken verborgen ist, wie die ungewisse Zukunft die vor uns liegt: Memento Mori!
Etwas bedrückt steigen wir die zweite Wendeltreppe am Ende des Ganges empor. Oben angekommen bleiben wir überwältigt und ein wenig nach Atem ringend stehen. Vor unseren Augen breitet sich die goldglänzende und in vielen Farben strahlende Pracht der Gügelkirche aus. Links trägt Christus am Kreuz einen dunkelblauen Sternenmantel mit goldenem Muster, auf dem Kopf die Krone des mit göttlicher Hilfe erlösten Königs der Erden: „Siehe, ich habe Kreuz und Leid für euch überwunden“!
Wir atmen auf und sind befreit von dem, was wir bisher mit uns herum geschleppt haben – wir fühlen uns wie neu geboren und eine hell strahlende Zukunft wird uns hier geweissagt- Danke!
Still und ein wenig überwältigt sitzen wir in der Kirchenbank und staunen über dieses kleine Wunder.
Wer schon einmal in Santiago di Compostela war und die schier endlose Warteschlange der wenig wohlriechenden, in der Hoffnung auf Vergebung ihrer Sünden unter dem Altar hindurchkriechenden Pilger erlebt hat, denen auch die riesige Weihrauchkugel, die längs durch das Kirchenschiff schwingt, nichts entgegenzusetzen hat, der hat auch erfahren, dass die Wahrhaftigkeit und die Würde der bescheidenen Gügelkirche über diesen Ablasshandel erhaben ist.
Auf nach Laibarös
Da fällt mir ein: Gegenüber saß ein Mann auf der Bank vor dem Haus, den frage ich, ob er uns zwei Flaschen Bier verkauft. „Ja freilich“, aber er trinkt nur alkoholfreies! Na gut, hier in Laibarös frisst der Teufel Fliegen und wir trinken bleifrei! „Gutes Malzbier“ sagt er und Bilder aus Kindertagen steigen vor meinen Augen auf, Erinnerungen an Sonntagsausflüge mit meinen Eltern im Lloyd 500 Plastikbomber – na ja, wir nehmen auch Malzbier!
Ich gebe ihm zwei Euro für die zwei Fläschchen, aber er will die zwei Euro nicht nehmen und sagt: „Das macht zweifuffzig!“ – ich stutze. „Da ist das Pfand dabei“! Ich werde unsicher, weiß ich doch aus vielen solchen Episoden in China, nicht immer ist das, was ich verstehe auch so gemeint. Dann dämmert’s mir: „zweiundfünfzig Cent“ hat er gemeint – ich lächle und gebe ihm Bescheid: „Baschd scho“!
Wenig später kommt der Samariter in unser Bushäuschen mit zwei weiteren Fläschchen Malzbier und wir erfahren, dass er Alwin heißt und auch sonst so manches von seinem harten Leben in Laibarös. Haben wir es gut! Wer über ihn lacht, hat vom Leben nichts verstanden!
Wir warten im Häuschen der Bushaltestelle, um uns von Petra, meiner Frau abholen zu lassen. Der Bus fährt hier nur morgens und nachmittags – ein nicht nur von Gott verlassenes Nest! Wer dem Frankenweg noch weiter folgen will, muss noch die halbe Stunde bis nach Huppendorf durchhalten, wo für heute ein Abendessen und ein Bett auf wartet:

Huppendorf 25, 96167 Königsfeld, Tel. +49 09207-270 info@huppendorfer-bier.de