Ein Felsenkloster, das wie ein Schwalbennest hoch oben am Berg vor eine Grotte geklebt wurde – das kenne ich aus Bildbänden aber nicht aus Kroatien – da müssen wir hin!
Auch ein Seemann fängt klein an
Eine gute Stunde sind wir mit dem kleinen Kajütenboot an der Westküste von Brac nordwärts getuckert, nachdem uns der Piratentyp vom Bootsverleih in Bol noch eine kurze Einweisung in Motorbedienung und das richtige Ankern gegeben hat. Demnach ist jetzt, nach dem Anker werfen, das Vertäuen am Ufer dran. Gerade, ehe ich ins Wasser hüpfen will, um ans Ufer zu waten, stelle ich entsetzt fest: Da warten hunderte stachliger Seeigel zwischen den Kieseln, um meine Füße mit tausenden von Stacheln zu spicken.
Trotz der Badeschuhe suche ich nach einem größeren, von Seeigeln freien Stein, um ins Wasser zu plumpsen und ans Ufer zu waten. Das Seil um einen großen Stein schlingen und den Seemannsknoten mit einem halben Schlag sichern – gelernt ist gelernt!
Verbranntes Tal
Erschüttert gehen wir den steinigen Weg an der linken Seite des Tals langsam höher. Vorbei an den Ruinen eines aus Feldsteinen gemauerten Bauernhauses, das ebenfalls ein Raub der Flammen wurde. Allmählich wird das Tal wieder grüner. Die Steineichen haben mit ihrer widerstandsfähigen Rinde dem Feuer getrotzt, aber auf den Höhen rechts und links ragen kahle, starre Baumstümpfe zwischen den Felsen auf.
Nach einer knappen Stunde sehen wir vor uns Steindächer unter einer steilen Felswand durch die Äste spitzen. Das hölzerne Tor in der hohen Wehrmauer steht offen und wir setzen uns erstmal auf eine Bank an den Holztischen unter dem großen offenen Dach, in dessen Mitte die uralte Weinpresse auf die nächste Traubenernte wartet. Im Fels, aus dem der Boden der überdachten Presse herausgehauen wurde, sind die Rinnen für den Most eingeschlagen, der in kleinen Trögen aufgefangen wird.
Hier ist es kühl und der Wind, der vom Meer herauf durch das Tal strömt, bringt Frische und Erholung. Eine Flasche Wasser und zwei Becher vom herben Rotwein tun das übrige.
Das Kloster als Musterbetrieb
Vor etwas mehr als vierhundert Jahren sind drei Mönche vom Festland vor den Türken geflohen und haben sich hier in einer alten Eremitengrotte niedergelassen. Viele Generationen haben das Kloster auf- und ausgebaut und eine vorbildliche Landwirtschaft betrieben. Besser gesagt organisiert!
Die jeweils drei Mönche hatten etwa dreißig Laienbrüder als Helfer, die für Kost und Logis im Kloster hart arbeiteten. Die Tagebücher in der Bibliothek berichten von 60.000 Liter Wein, 6.000 Pfund Honig aus 250 Bienenstöcken, achtzig Doppelzentner Korn, von dem das Kloster die Hälfte selbst zum Brotbacken brauchte.
Olivenbäume für das Öl zum Kochen und die Lampen, sowie Ziegen und Schafe in großer Zahl für Wolle und Käse. Ein landwirtschaftlicher Musterbetrieb, der seinen Erlös in den Ausbau des Klosters und zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch in Kuriositäten wie ein Hightech-Zeis-Teleskop (Tonnen schwer und vier Meter lang) oder einen Flügel aus Wien für das Musikzimmer steckte (400 kg und ziemlich sperrig).
Wie im Kloster alles begann
Im angrenzenden Vorratskeller mit seinem Kornkasten und den Handmühlen für das tägliche Mehl und den Steinamphoren für Öl und Wein, beeindrucken mich vor allem die drei Öffnungen in der hinteren Wand – sie sind Teil eines ausgeklügelten Lüftungssystems, das die kühle Luft aus der Grotte in den Vorratsraum fallen lässt. Der hat auch an heißen Tagen eine angenehme Kühle.
Viel später wurde dem Gebäude an der Grotte ein weiterer Bau mit dem Arbeitszimmer und dem Musikzimmer gegenüber gestellt und mit der Küche und dem Refektorium durch eine verglaste Galeriebrücke verbunden. Sehr praktisch!
Pater Nikola Miličević (1887–1963),der letzte Mönch
Das Portrait seines Onkels und Vorgängers hängt deshalb auch prominent an der Wand des darüber liegenden Musikzimmers. Pikant dort die Ottomane, direkt gegenüber dem Flügel, hinter der an der Wand eine elektrische Klingel angebracht ist: Für’s Personal – auch praktisch!
In der Bibliothek zeigt uns Marjio uralte Bände in glagolytischer Schrift und neuere Werke in mehreren Sprachen, vor allem über Astronomie. Der letzte Bewohner hat das Kloster als offizielle Sternwarte in den USA registrieren lassen und von seinem Observatorium auf der Brüstung hinter der Kirche auch periodische Helligkeitsschwankungen von Sternen und einen Kometen entdeckt. Noch viele Jahre nachdem er 1963 verstarb, trafen astronomische Jahrbücher aus Amerika im Kloster ein.
Die Wallfahrt zu „Maria Himmelfahrt“
Der ein oder andere Wallfahrer mag hier noch zu Schule gegangen sein. Aus den drei umliegenden Dörfern der Hochebene kamen bis zu fünfzehn Kinder in die vierjährige Grundschule, denen neben Lesen und Schreiben garantiert auch eine gehörige Portion Mathematik beigebracht wurde. Schon damit sie die Großartigkeit des Herrn in seiner Schöpfung und dem unermesslichen Sternenhimmel, der nachts über Brac leuchtet, erfassen konnten.
Ein Jahr vor dem Tod des letzten Mönches wurde die Schule eingestellt. Die Dörfer waren von ihren Bewohnern aufgegeben worden, die in die großen Städte der Küste oder als Gastarbeiter nach Deutschland gezogen waren – es gab keine Schulkinder mehr!