Für mich ist Dresden gleichbedeutend mit Kurfürst August dem Starken, dem Dresdner Zwinger, der Semperoper und natürlich der nach Jahrzehnten aus Trümmern wieder auferstandenen Frauenkirche. Das ist natürlich alles richtig, aber in der Advents- und Weihnachtszeit tritt dies alles zurück und die Weihnachtsmärkte spielen die Hauptrolle auf der Bühne der Barockstadt.
Wie viele es dieses Jahr genau sind, weiß wohl nur die Stadtverwaltung. Wir haben uns also in dicke Stiefel, einen warmen Mantel, Handschuhe, Mütze und Schal gepackt und sind losmarschiert, um uns überraschen zu lassen.
Wie im Jahr 1434 alles begann
Noch heute gibt es einen Stand mit Fleisch und Wurstwaren auf dem Striezelmarkt – etwas seltsam anmutend zwischen all den süßen Leckereien der anderen Stände, die erst im Laufe der folgenden Jahrhunderte dazu kamen.
Die „Striezel“ waren früher süße Hefezöpfe, wie sie noch heute in Süddeutschland verbreitet sind. In Dresden wurde daraus – nachdem der Papst in seinem „Butterbrief“ 1450 auch andere Zutaten erlaubte – der Mohnstriezel und später der mit Marzipan versetzte Dresdner Stollen, die dem Striezelmarkt den Namen gaben.
Advent auf dem Neumarkt
Hier sind alle traditionellen Handwerker mit ihren Waren vertreten: Der Kunstschmied, der das glühende Eisen aus der Esse holt und auf dem Ambos mit weithin schallenden Hammerschlägen traktiert; der Bürstenbinder, der mit Frack und Zylinder hinter seiner Werkbank sitzt und aus Schweinsborsten Pinsel und aus Wurzelfasern Kehrbesen fürs Grobe bindet.
Ein paar Stände weiter hackt der Bäcker Holz für seinen Flammenofen, in dem der Baumkuchen um lange Stangen gewickelt bäckt. Wortreich erklärt er, wie zuerst Backpapier auf die Rolle gebunden und dann mit Mehlpapp festgeklebt wird, ehe die gesamte Rolle dann in der Blechtonne bei den hell lodernden Tannenscheiten landet.
Sein Geselle schneidet den gebackenen Baumkuchen dann in Scheiben, taucht diese in Zuckerguss oder Schokolade, um sie dem staunenden Publikum feilzubieten. Für 100gr. 5 € – und so eine Baumkuchenscheibe ist schwer!

Landhausstraße 6, 01067 Dresden, HAPIMAG Dresden
Der Weihnachtsmarkt an der Frauenkirche
Das scheint sich auf die Händler zu übertragen: Der Maronibrater stochert lustlos in den schwarz gekohlten Kastanien und die gebratenen Mandeln werden hier schon gar nicht mehr kandiert, sondern als graubraune Zuckermasse in Tüten abgefüllt.
Die Holzkunst aus dem Erzgebirge mit den Laubsägearbeiten und Kerzenbögen stammt aus Fernost, wie man an der Verarbeitung unschwer erkennen kann. Die Armee der Nussknacker erinnert ein wenig an die Terrakotta Armee des chinesischen Kaisers Qín Shǐhuángdìs in Xian.
Der Augustusmarkt in der Neustadt
Mitten auf dem Neustädter Markt steht der Goldenen Reiter Kurfürst August der Starke, als ob er direkt mit seinem Ross die Zeltgasse des Augustusmarkts in der Hauptstraße hinaufpreschen wollte.
Der Augustusmarkt sieht mit den weißen Partyzelten dann auch eher nach einem Heerlager aus, als nach einem Weihnachtsmarkt. Diesen Eindruck verstärkt das vielfältige Angebot an hochprozentigem neben dem obligatorischen Glühwein eher noch.
Wer es bis zum oberen Ende schafft, wird dann aber positiv überrascht. In einem Holzpavillion werden stilvolle Lichterbögen und Weihnachtspyramiden aus Seiffen im Erzgebirge angeboten, wie wir schönere auf den ganzen Märkten nicht entdeckt haben. Ein paar Stände weiter gibt’s auch weiße Spitzen und Häkelarbeiten als Weihnachtsdekoration, wie sie die Frauen der Bergarbeiter im Erzgebirge seit Jahrhunderten herstellen.
Die Entdeckung des Tages waren für uns aber die alten Markthallen gegenüber der Dreikönigskirche. Gleich am Eingang umfängt uns der Duft frisch gemahlenen Kaffees. Zwei große Tassen schwarzen Kaffees wecken unsere Lebensgeister wieder und lassen uns den Charme der alten Gusseisenkonstruktion in ihrer adventlichen Pracht bewundern.
Markthalle in der Neustadt in 360°:
Mittelalterweihnacht im Stallhof
In den Kollonaden des alten Schlosses bläst das russische Neva-Quintett auf Trompete, Horn und Tuba dazu mehr oder weniger weihnachtliche Musik, dass es über den ganzen Markt schallt.
Nur der Wutzbrater, bei dem die mit einer seltsam schwarzen Soße eingepinselten Schweinenacken am Eisenspieß über offenem Feuer grillen, hinterlässt in meinem Magen gemischte Gefühle.
Wir entscheiden uns dafür, es für heute mit den Weihnachtsmärkten gut sein zu lassen und den Tag im Kunst-Cafe-Antik um die Ecke ausklingen zu lassen. Dort sitzen wir dann gemütlich zwischen Tiffanilampen und Ölschinken auf antiquarischen Stühlen und lassen uns das Schwarzbier und den sächsischen Weißwein schmecken – ein perfekter Tag im Advent!
Die drei unromantischsten Weihnachtsmärkte Dresdens
- Romantischer Weihnachtsmarkt am Schloss: Direkt zwischen ALEX und Schloss stehen ein paar Buden mit Glühwein und Dresdner Stollen sowie ein kleines Kinderkarusell, das an Scheußlichkeit kaum zu überbieten ist – unromatischer geht’s kaum!
- Dresdner Hüttenzauber: Hatte ich gedacht, bis wir am Postplatz auf die Trinkhallen gestoßen sind, die als Hüttenzauber angepriesen werden. Hier wird versucht nächtliches Saufgelage als alpenländische Hüttenromantik zu verkaufen – wer’s braucht?
- Dresdner Winterlichter: Auf dem Weg zur Pragerstraße schlendern wir durch die modernen Passagen der Altmarkt-Galerie und sammeln hier und da ein paar Ideen für Weihnachtsgeschenke auf, ehe wir in der Straßenschlucht landen.
Den weiten Weg hätten wir uns sparen können, denn hier gibt’s wenig Interessantes zu sehen, wenn man von dem ewig gestrigen Hans-Jürgen Westphal absieht, der die rote Fahne des Kommunismus schwenkt und die Passanten nach ihrer religiösen Überzeugung fragt – ein nettes, freundliches Dresdner Original.
Der Dresdner Striezelmarkt
Da sägt der Förster Weihnachtsbäume ab, der Drechsler dreht Figuren für die Pyramide und auf einem anderen Dach ziehen die Heiligen Drei Könige zur Krippe nach Bethlehem, über der schon der Weihnachtstern steht, um ihnen den Weg zu weisen.
Alles überragend drehen sich das kleine Riesenrad und die größte Weihnachtspyramide der Welt. Auf sechst Ebenen laufen die Hirten mit ihren Schafen, gefolgt von den Heiligen Drei Königen. Darüber der Weihnachtsmann und ein Schneemann als Räuchermännchen zusammen mit Schlotfeger und Bäcker und ganz oben unter den Posaunenengeln die Bergleute aus dem Erzgebirge.
Von der Brücke des Schwibbogens, der das Eingangstor des Marktes bildet, hat man den besten Blick über die vielfältigen Buden und Attraktionen. Ganz hinten entdecke ich das zweistöckige Kinderkarusell mit den wippenden Holzpferden und anderen Reittieren für große und kleine Kinder.
Was für den Nürnberger Christkindlmarkt die Zwetschgenmännle sind, ist in Dresden der Pflaumentoffel, der ebenfalls als Schlotfeger daherkommt und Glück bringen soll. Was vor 200 Jahren Heimarbeit für arme Familien war, wird heute als Wettbewerb ausgetragen: Wer kann am schnellsten einen Pflaumentoffel stecken?
Der Verkauf der schrumpeligen Glücksbringer durch Kinder vor allem aus den Waisenhäusern der Stadt wurde vor über 100 Jahren dann verboten.
Zum guten Ende
Hier gibt’s nicht nur was zum Schauen und Staunen, sondern auch eine vorzügliche, sächsische Küche. Ich entscheide mich für Eisbein mit Sauerkraut und eine Halbe vom Schwarzen Steiger: Besser habe ich in Sachsen noch nie gespeist!
Wem eher nach geselliger Runde und einem Schwätzchen als nach einer deftigen Mahlzeit zumute ist, der wird sich im Wohnzimmer im Untergeschoss wohlfühlen – dort darf sogar geraucht werden!
Ein würdiger Abschluss für perfekte Adventstage in Dresden!