Nach Sommerhausen am Main? Ja, der Kunst wegen und ein klein wenig auch wegen des Weins!
Vergangene Zeiten
Wir haben uns einen herrlichen Maientag dafür auserkoren, unser Wohnmobil am Main unter schattigen Pappeln geparkt und schlenderten beim Gasthof Anker unter der Bundesstraße hindurch zum alten Maintor. Die an den seitlichen Torsteinen eingeschlagenen Kerben, markieren seit Jahrhunderten die schlimmsten Hochwasser des Mains, die weder Stadtmauer noch Tor aufhalten konnten.
Am vorgebauten Zollhäuschen ist heute die Musikschule untergebracht. Früher wurden hier die, bei der Anlegestelle vor der Treidelstation zum Anker entladenen Waren verzollt, ehe sie durchs Tor und die Maingasse zum Markt gebracht wurden. Wir genehmigen uns im Weinhaus Dull erst mal einen Imbiss und einen Schoppen von der köstlichen Scheurebe.
Der Scherenschnitt über der Tür zeigt das fröhliche Treiben mit Musik und Tanz zum Weinfest vor langer Zeit. Im Inneren der dunklen Stube ist damals wohl die Zeit stehen geblieben.
Alte Lieder und junger Wein
Ein paar Schritte weiter ist rechts das Weingut Schloss Sommerhausen. Wein wird hier seit mehr als 800 Jahren angebaut. Als Weingut derer von Limburg, Erbschenken des hl. Röm. Reiches wurden hier über Jahrhunderte die Krönungsweine deutscher Könige und Kaiser gekeltert! Durch den Fernhandel mit hochwertigen Weißweinen wurden die adeligen Herrschaften auch so wohlhabend, dass sie sich dieses ansehnliche Schloss erbauten.
Historischer Ortskern
Wir biegen rechts in die Rathausgasse und sehen schon der Roten Turm, in dem sehenswerte Kunstobjekte aus Glas ausgestellt sind. Beim weiter gehen entdecken wir am Flurers Turm den schmalen Weg zum Rinnenflößlein, der in die Weinberge führt. Dort oben sind auch die Quellen aus denen die Brunnen der Stadt versorgt wurden.
Beim Blauen Turm verlassen wir kurz die Stadtmauern, um auf dem Friedhof Veit Relin unsere Aufwartung zu machen (am nördlichen Ende der überdachten alten Friedhofsmauer).
Das Torhaus am Würzburger Tor fällt schon von weitem durch die Poster und die ausgestellten Zeitungsausschnitte auf. Hier ist also das berühmte Torturmtheater. Noch ist etwas Zeit bis zur Vorstellung, wir sind die ersten Gäste und studieren die innen ausgestellten Bilder von Veit Relin.
„Sag Nix“ Im Torturmtheater
Dann erzählt er uns Neulingen, dass er mehrmals im Jahr das Theater besucht und kaum eine der Vorstellungen versäumt. Auch Uraufführungen? Ja, ob wir denn nicht wüssten, dass Luigi Malipiero, der aus Berlin und Würzburg ausgebombt wurde, hier vor den Toren Würzburgs eine neue Heimat gefunden hatte?
Zuerst hat der Künstler, Schauspieler und Regisseur im Torturm ja nur gewohnt, aber er hat dann, mit Hilfe der Sommerhauser Bürger in drei Jahren mühseliger Arbeit die Türmerstube und den Toranbau zum kleinsten Theater Deutschlands ausgebaut. Zum Dank dürfen seitdem die Sommerhauser Bürger zum Sonderpreis in jede Vorstellung.
Als Malipiero in den 70er Jahren starb, hat Veit Relin das Theater übernommen. Wurden bis dahin vor allem klassische Stücke von Shakespeare bis Schiller aufgeführt, hatte sich Veit Relin auf zeitgenössische Autoren konzentriert, um diesen auch für Uraufführungen eine Bühne zu geben, die in größeren Häusern keine Chance gehabt hätten.
„Da gab es manchmal deftige Stücke“ erinnert sich der freundliche Sommerhauser, „da sind im ersten Akt schon mal so viele nackte Busen zu sehen gewesen, dass einige Sommeracher ob dieser obszönen Darstellung das Theater in der Pause empört verliesen“. Meinen Kommentar „Da hatten sie ja auch schon alles gesehen!“ quittiert er mit einem feinen Lächeln, während mich meine Frau mit hochgezogenen Augenbrauen anblickt und ich weiß, das heist „Sag Nix“ – womit wir beim aktuellen Stück wären, das jetzt gerade beginnt.

