Weihnachten steht vor der Türe und wie jedes Jahr wird es bewegen, werden wir uns freuen – über das Leuchten in den Kinderaugen, die Kerzen am Weihnachtsbaum. Möge es uns so ergreifen, dass wir das Licht in uns tragen und anderen weitergeben können.
Einst hat mir meine Mutter folgende Geschichte von Barbara, meiner Großmutter erzählt:
Heute ist heiliger Abend und Johann muss seine Schafe noch von den mageren Schattenhängen in den Gemeindestall treiben. Der Schnee wird nicht lange auf sich warten lassen, auch wenn heuer der Oktober golden und der November so sonnig war, dass die Weiden lang grün waren und auch jetzt noch nicht vom eiskalten Tuch des weißen Schnees zugedeckt wurden. Wenn er doch endlich das seit morgen vermisste Schaf des Zimmermanns finden könnte. Als Gemeindeschäfer wurde es ihm im Frühjahr anvertraut und verdammt und zugenäht – er bringt es auch wieder mit heim! Ein kurzes, heiseres Bellen von Rolf und dann ein langgezogenes Winseln – der treue Schäferhund hat endlich eine Fährte.
Sie hatten die kleine Waise an Kindes statt angenommen, da ihr sehnlichster Kinderwunsch unerfüllt geblieben war. Bis dann letzten Winter der Ferdl zu Barbaras kleinem Bruder wurde und sie alle vier eine glückliche Familie.
Der Hund jaulte ungeduldig und Johann folgte ihm durch das dichte Gestrüpp am Waldrand. Da lag das verlorene Schaf und bei ihm ein winziges, zitterndes Lämmlein, das Rolf zärtlich mit seiner Schnauze stupste damit es aufstand. „Du dummer Hund, das kann noch nicht laufen!“ schimpfte Johann seinen besten Freund, legte sich das Lämmchen um den Nacken und schlug seinen, mit einem warmen Pelz gefütterten Loden um seine Schultern und das Lamm.
Fröhlich pfiff er eine alte fränkische Hirtenweise vor sich hin. Rolf scheuchte das Schaf zurück zur Herde, um dann laut bellend alle zu umkreisen und zum Aufbruch zu drängen. „Hast Recht, es wird höchste Zeit, Münchsteinach da unten im Tal liegt schon im Finstern, wir müssen uns beeilen!“.
Als er alle versorgt und das große Tor sicher verschlossen hatte, ging er mit Rolf durch die Stalltüre ins Haus. Leuchtende Kinderaugen begrüßten ihn, als er noch im Mantel in die Stube trat und Anna übersah lächelnd, dass er immer noch die dreckigen Stiefel anhatte. „Hast du mir ein Jesuskindlein geschnitzt?“ fragte Barbara in froher Erwartung und zugleich ein bisschen enttäuscht, weil Johann offensichtlich leere Hände hatte. „Ich habe hier jemanden, der dich viel dringender braucht“ sagte Johann, lies seinen Mantel zu Boden gleiten und nahm das Lämmchen von seinen Schultern. Mit großen Augen staunte Barbara „Ist das für mich, darf ich es als Stubenpetzen behalten“? Johann erwiderte: „Ja, es braucht dich und du wirst für das Lämmchen da sein, so wie Jesus für dich da ist, auch wenn wir kein Kindchen in der Krippe liegen haben.“
Für andere dasein zu können, das ist das schönste Weihnachtsgeschenk