Der Impulsmaler Lúu

Dao Trong Lúu (geb. 1942) ist eine zierliche Person mit seinem Menjou-Bärtchen, der immer Lächelnde. Sein neuestes Werk „Die vier Grazien“ lässt die gebrochene Schönheit der im Fluss badenden Frauen ahnen, die vielleicht von ihren Familien als Braut nach China geschickt werden.

Bei einem Glas französischen Rotwein diskutieren mit ihm, während seine Frau uns in seinem Studio seine neuesten Bilder präsentiert und Preise in Dollar nennt, um uns mit den vielen Millionen der vietnamesischen Währung Dong nicht zu verschrecken. Wir schlagen die Leinwände der Bilder um, wie auf einem türkischen Basar die Teppiche.

Stapelweise komplexe Farbmuster mit angedeuteten, schemenhaften Köpfen, die an Edward Munch erinnern, durchsetzt mit Fragmenten chinesischer Schriftzeichen in vielschichtigen Farbräumen und Klecksen in weiß. Er erzählt uns immer wieder von seinem Refugium im Davos Nordvietnams auf 1800m, wo er den Sommer verbringt, um der heißen, schwülen Luft der Großstadt im Delta des roten Flusses zu entgehen. Es erinnert ihn an seinen Besuch in der Schweiz bei einem Galeristen, der ihm auch nach Davos zum Haus Kirschners geführt hat und zu dessen Schaffen er eine gewisse Nähe fühlt.

Bei zwei Gemälden bleiben wir hängen:

• Silbermond auf dunklem Wasser
• In Gedanken bei meiner Tochter

Das Erste erinnert mich mit seinem tiefblauen Hintergrund, den dunkelgrünen Blättern des Lotos und den silberhellen Reflexen des Mondes auf den Wellen an Monet. Was bei ihm die Seerosen auf seinem Gartenteich waren, sind Dao die Spiegelungen des Mondlichts in den stillen Bergseen Nordvietnams.

So fern von der Familie ist auch das zweite Bild entstanden. Die Erinnerung an seine Tochter löste bei ihm einen inneren Sturm der Gefühle aus, die er auf der Leinwand zum Ausdruck bringen musste. An diesem Bild erklärt er uns seine Maltechnik: Den Impressionismus der frühem Moderne und den darauf folgenden Expressionismus, die er beide während seiner Studienjahre in Paris kennenlernte, löst er ab durch den daoistischen „Impulsionalismus“.

Bilder entstehen einer plötzlichen Eingebung folgend ohne geplanten Aufbau oder Struktur. Den Kopf seiner Tochter im Zentrum fügte er erst hinzu, nachdem ihm bewusst wurde, daß seine Gedanken beim Malen stets um sie kreisten. Einen Video von Lúu, wie er mit Messer und Spachtel malt, findet man hier!
Das monumentale Werk „Im Dschungel der Worte“ fand nur an der Wand seines Wohnzimmers Platz, das ganz im Stil der Kolonialzeit mindestens dreieinhalb Meter hoch ist. Das Cafe im Erdgeschoß seines Stadthauses ist zur Anlaufstelle für Künstler und kunstbeflissene Touristen geworden.

Unser Reisebegleiter Minh Anh von Terraverde kennt den Künstler seit vielen Jahren und hat ein vergnügliches Abendessen arrangiert. Der Koch grillt vor der Tür des Cafés Hühnchen und kleine Entrecôtes vom Rind, der Salat ist vielfarbig und die lila Zwiebeln fein geschnittene Blüten von Bananenstauden. Als Dip für die gekochten und gebackenen Frühlingsrollen werden Fischsoße und braune Bohnensoße gereicht.