Jenseits des Finisterre, hinter dem Ende der Welt, draußen im Atlantik, auf der Belle-Île-en-Mer, suchte schon Sarah Bernardt Auszeit vom Stress im Beruf und dem Trubel des Alltags.
Vor mehr als hundert Jahren
Georges Clairin, der Maler, lag ihr seit langem in den Ohren, das kleine Paradies “ hinter dem Ende der Welt“ zu besuchen – die Belle-Île-en-Mer. Vor einigen Jahren hatte hier Monet wie besessen immer wieder die gleichen Motive an der Cote Sauvage gemalt. Bei Sonne und bei Sturm, frühmorgens und im violett roten Schein der untergehenden Sonne. Nach zwölf Stunden Fahrt, zuerst mit dem Zug, dann mit einer dieser neuen Benzinkutschen und schließlich mit dem Dampfschiff waren sie in Le Palais auf der Insel angekommen. Der Bürgermeister persönlich gab sich die Ehre, Madame Sarah Bernardt willkommen zu heißen. Dabei sehnte sie sich vor allem nach einem: Ruhe vor dem Trubel, der überall um sie gemacht wurde. Vor allem nach ihrer fulminanten Tournee letztes jahr durch Nordamerika. Über fünfzig Städte und noch viel mehr Auftritte hatten sie und ihre Truppe ausgelaugt. In wenigen Wochen wird sie fünfzig und hier will sie wieder zu sich selbst finden. NIcht weit von ihrem Domizil entfernt, fliegen die schwarzen Kormorane aus einer Grotte ein Stück aufs Meer, stürzen sich im tollkühnen Sturzflug in die Fluten und sind verschwunden. Nach unendlich gefühlter Zeit tauchen sie zwanzig, dreißig Meter weiter wieder auf, den Schnabel voller Sardinen. Der alte Fischer erzählt, dass die Nester der Vögel wie Schubladen dicht an dicht die Wände der Grotte bedecken und die Einheimischen sie deshalb die Grotte des Apothekers nennen.
Wandern auf den Spuren Sarah Bernardts
Wir wenden uns nach Norden und erreichen nach einer guten halben Stunde das Vogelschutzgebiet des Pointe du Vieux Chateau. Wie überall an dieser Küste brüten auch dort Möwen, Kormorane und Papageientaucher, aber hier auch eine dreizehige Möwenart.
Spannender finde ich, dass der schmale Zugang über eine Landenge durch einen Erdwall und einen davor liegenden Graben geschützt wird. Schon zu Zeiten der Kelten war diese Halbinsel ein begehrter Siedlungsplatz, weil der starke Wellengang des Atlantik und die schroffen Klippen es jedem Feind unmöglich machten an Land zu gehen.
Die Halbinsel bot ausreichend Platz für ein ausgedehntes Haufendorf und die Weidegründe auf der Hochebene waren nicht weit. Viel später, im Mittelalter vor etwa tausend Jahren, als die Wikinger die Küste unsicher machten, errichteten die Bretonen ein hölzernes Fort. Die kleine Bucht Ster Ouen bildet noch heute einen geschützten Hafen, der vom Meer aus nicht einsehbar ist.
Wir sind froh, in friedlicheren Zeiten zu leben und folgen dem schmalen Weg durch hohe Sträucher und Farn in die Badebucht Ster Vraz, die mit ihrem breiten Sandstrand eine der wenigen Badegelegenheiten an diesem Küstenabschnitt bietet. Es kommt noch besser: Am Ende des schmalen Teersträßchens, das dem Bachlauf folgt, bietet sich eine kleine Wiese als idealer Wohnmobil Übernachtungsplatz an. Das wär’s doch für heute Abend!
Golf spielen über dem Meer
Wir schauen einem Spieler beim Abschlag zu und sind platt – der schafft es doch glatt mit einem langen Schlag den Golfball nahe der Fahne ins Grün zu setzen!
Sarah Bernardts Ferienhaus hinterm Ende der Welt
Die Bustouristen stehen ein wenig auf dem Dach des Museums herum, suchen vergeblich ein Café und und trollen sich dann wieder zum Bus, ohne den wahren Schatz dieser Insel entdeckt zu haben: Das alte Fort, das Sarah Bernardt und ihrer engsten Familie als Sommerfrische diente. Es ist originalgetreu erhalten und eingerichtet, als ob sie gerade am Strand zum Baden wäre – zum Träumen romantisch schön!
Man betritt die kleine Festung – von deren Sorte wir auf unserer Wanderung entlang der Küste schon ein paar gesehen haben – durch die doppelflügelige Tür, die zum Schutz vor Beschuss dem Felsen zugewandt ist. Rechts ist die winzige Küche mit Hackstock und Töpfen, die Zwiebeln hängen frisch aus dem Garten zum Trocknen überm Kohleherd und das Geschirr ist fein säuberlich im Wandregal gestapelt. Ein paar Schritte weiter links ist das Schlafzimmer der Diva. Gemütlich mit all den hellen Kleidchen am Kleiderständer und dem Sommerhut auf der Kommode. Der Schminktisch am hellen Fenster, als ob sie gerade noch hier gesessen hätte.
Umwerfend aber der zentrale Wohnraum. Links mit Blick auf den Leuchtturm die lange, vornehm gedeckte Tafel, der offene Kamin und das Klavier für die musikalische Unterhaltung, rechts zwei lässige Sofas mit Dutzenden von Kissen zum Lümmeln, die Spielkarten noch auf dem Hocker verstreut, als wäre das Spiel durch unseren Besuch nur kurz unterbrochen worden.
Tief in Gedanken an längst vergangene Zeiten versunken, gehen wir noch zum Leuchtturm und sehen drüben, weit im Osten die Halbinsel Quiberon, in der Nachmittagssonne leuchten. Der Rückweg ist wieder schnell erledigt. Wir haben die Fahrräder am Parkplatz deponiert und radeln zur Apothekergrotte zurück. Allerdings nicht ohne in der „Ferme Sara Bernardt“, der Bar und dem Restaurant des Golfklubs, noch einen stärkenden Kaffee zu nehmen.
Ein gelungener Wandertag!