Nach Palermo der deutschen Geschichte wegen? Nicht nur – aber auch! Heute beindruckt der Lebensgeist der jungen Generationen, die Schluß machen wollen mit Schutzgeld und Erpressung, die mit Engagement und Graffiti gegen den Verfall ansprühen!
Der Nomannenpalast und die königliche Kapelle
Der Normannenpalast selbst besteht aus Bauten vieler Epochen – von den Phöniziern über die Araber zu den Normannen hat jeder seinen Stil in diesem einzigartigen Bauwerk hinterlassen. Im neuesten Teil ist heute der Sitz des Parlaments und es weht die sizilianische und die italienische Flagge über dem Portal.
Die Capella Palatina – Kirche und Thronsaal von Roger II. in einem – geschmückt mit herrlichen Mosaikarbeiten in Gold und edlen Farben. Wie ein großes Bilderbuch sind an den Wänden und im Hauptschiff sowie seitlich des Altars die biblischen Geschichten zu bestaunen. Kunst- und fantasievoll wird die Schöpfung und der Lebensweg Jesu dargestellt. Wie eine kleine Schnitzeljagd lösen sich beim längeren Betrachten die Bilder von der Entstehung der Welt vom Hintergrund und treten plastisch zu Tage.
Die Arche Noah vor und nach der großen Flut – wunderschön anzuschauen, wenn man als Einzelbesucher nicht wie die Reisegruppen im zehn Minuten Takt durchgeschleust wird. Nachdem die königlichen Räume zurzeit nicht zu besichtigen sind, reicht eine knappe Stunde aber gut aus.
Der morbide Charme der Altstadt
Anja führt uns, keine zweihundert Meter vom touristischen Zentrum entfernt, in die wahre Altstadt. Engste Gassen, eigene Gerüche und eigentlich relativ sauber. Doch zwischen wenigen, etwas renovierten Häusern stehen marode Gebäude, teilweise noch wie im zweiten Weltkrieg von den Alliierten zerbombt. Die Reparationszahlungen wurden wohl eher in den Bau hübscher Villen außerhalb investiert, als in den Wiederaufbau der Wohnhäuser.
Wir kommen in eine Gasse, die sich zu einem breiten Innenhof weitet. Dort waschen junge Männer Fiats und wienern sie auf Hochglanz – brave Jungs bedeutet uns Anja, sie arbeiten und leben nicht wie viele andere von der Stütze. Enge Eingänge in dunkle Räume – fast schon im Keller, Wäsche hängt an den Leinen, kleine Kinder plantschen im Waschwasser der Autos, das die Straße entlang rinnt.
Plötzlich ein Wiehern! Pferde hier mitten in Palermo? Si, si das sind die letzten Kutscher, die hier in den alten Garagen ihre Pferde halten – gut ernährt und gepflegt, denn an ihnen hängt die Existenz ganzer Familien.
Über den Wohnungen zeigt uns Anja den Palazzo der Baronin – wir lachen! Der große. alte Schuppen, dessen Balkone nur Selbstmörder betreten – Rost, abgefallener Putz, schimmlige Wände? Innen ist wohl alles noch sehr edel und man könnte für 250.-€ pro Nacht Bed&Bredfast im Palazzo machen! Wir ziehen unser Hapimag-Resort in Cefalù vor!
Verwinkelte Gassen, staubige Plätze, neue und doch schon wieder zerstörten Parkanlagen – wechselnde Gerüche ziehen um unsere Nase und seltsame Geräusche dringen an unsere Ohren. Graffiti an bröckelnden Fassaden, manches Schmiererei und dann am Piazza Mediterraneo kunstvolle Murales, die Hoffnung auf Besserung aufkommen lassen.
Der Mercato Ballaró
Der kleine Kaffee in der einzigen und sehr, sehr schlichten Bar neben dem Hähnchenstand schmeckt wie Bitterschokolade und bringt uns nach Minuten wieder in Schwung. Wir bestaunen auf unserem weiteren Weg alte, teils verfallene Palazzi mit riesigen, verwahrlosten Innenhöfen – oh Pracht von einst, wohin bist du nur geflohen?
Wir kreuzen die Via Maqueda, einst Prachtstraße, dann Stadtstrich und heute von Indern bewohnt, ein indisches Viertel mit Läden, Lokalen und Handwerkern, die sich in der Gasse der Blechmacher mit sizilianischen Handwerkern den Markt teilen. Grills, Bettgestelle, Pfannen, Schüsseln, Dachrinnen und Lampen – alles aus Kupfer und Blech wird in kleinen, dunklen Werkstätten gefertigt und verkauft oder auch wieder repariert. Einige Werkstätten sind inzwischen in den Händen der nächsten Generation – Schutzgelder zahlen sie aus Furcht vor der Mafia in alter Gewohnheit wie ihre Väter und Großväter immer noch. Einige junge Männer haben sich aber zusammen getan und stellen sich jetzt mutig und öffentlich gegen die Machenschaften der Mafia – auch wenn der eine oder andere schon bitterste Erfahrungen gemacht hat, gehen sie standhaft den Weg für ihre Freiheit weiter!
Ein kleiner Bogen führt uns vorbei an den freizügigen Figuren der „Fontana Pretoria“, provokativ einst vor einem Kloster der Klarissinnen aufgebaut, und über die Kreuzung der Quatro Canti mit den fantasievollen Skulpturen der vier Jahreszeiten an den jeweils gegenüber liegenden Hausecken.
Die Antica Foccaceria San Francesco
Wir sind alle sehr mutig und von „pan ca‘ menas“ (Brötchen mit Milz) über Reisbällchen gefüllt und natürlich Foccacia und Canneloni wird alles probiert. Von lecker bis interessant reichen die Wertungen.
Vorbei an engen Gassen, durch die ständig Roller und Fiats in allen Größen und jeden Alters düsen, so dass unsere Rettung der jeweil nächste Hauseingen ist, schlendern wir zum Giardino Garbaldi und bestaunen die zweihundert Jahre alten Fikus Bäume, deren Luftwurzeln inzwischen längst als stützende Säulen für die überbreiten Baumkronen dienen. Was für eine Pracht musste einst in dieser Stadt gewesen sein? Parks, Paläste und große Flanierstraßen und heute … kein Geld für nichts! Und die Zuschüsse, die es geben könnte, fliesen nach wie vor in dunkle Kanäle. Die Palermitaner haben sich an den Zustand gewöhnt oder haben die Stadt schon lange verlassen. Übrig bleiben die einfachen, armen Leute und die illegalen Einwanderer, die sich in den verwahrlosten und verfallenen Häusern ein neues Zuhause geschaffen haben.
Mich stimmt all das wehmütig, doch die Palermitaner leben hier palavernd, lachend und voller Einklang mit dem was ist.