Gerhard Richters „Ausschnitt“-Ausstellung im Neuen Museum Nürnberg zeigt Bilder, die so nie gedacht oder komponiert wurden.
Zuletzt hatte er 2007 mit dem riesigen Glasfenster im südlichen Querschiff des Kölner Doms die Gemüter erregt, weil scheinbar zufällig aneinander gefügte, bunte Glasscherben in der Mittagssonne schöne bunte Flecken ins Kirchenschiff projizieren, aber beim besten Willen nichts darstellen.
Wen wundert’s? Das war wohl auch Richters Absicht.
Keine Absicht, keine Idee, kein Zweck und doch hat der Zufall eine perfekte Komposition geschaffen: Frau mit Kinderwagen Ton in Ton vor Richters ins Gigantische vergrößerten Farbpalette, Eine Performance festgehalten mit meinem Smartphone und Sekunden später per email der Künstlerin zugesandt!
Wenn Richters Kunst, wie das Begleitheft zur Ausstellung schreibt, „sich auf allen Ebene der Subjektivität des Künstlers zu entkommen sucht … und die irritierende Vielgestaltigkeit seiner Kunst den klassischen Stilbegriff ad absurdum führt“, dann hat die junge Frau stilsicher diese Kunst ins Gegenständliche überführt – das find ich nett!
Sie glauben einen ironischen Unterton herauszuhören?
Kürzlich, bei einer Winterwanderung durch Ebersbach, da war doch diese Mauer! Uralt mit der einzigen Idee, den Misthaufen hinter ihr davon abzuhalten sich auf der Straße unflätig zu verbreiten, hat der Bauer sie vor Äonen in hellem Ochsenblut tiefrot gestrichen.
Absichtslos hat der Regen sie mit den Jahren stellenweise blankgewaschen, der Kalk aus dem Mörtel weise Sinterstreifen aufgepinselt, ist der Salpeter der Jauche formlos aus dem Bodensumpf die Wand hochgekrochen und hat sie schwefelgelb eingepudert.
Absichtslos hat die Natur mit der Zeit diese Komposition entstehen lassen, hat der Mauer eine neue Gestalt und Ausdruck verliehen.
Eine Vernissage im Vorbeigehen an der Dorfstraße, ein großartiges Bild – Kunst?