Dass der Besuch der Höhle, in der der Geist der großen Schlange haust, nicht ohne ein Opfer vonstatten gehen würde, hatten wir schon erwartet.
Das Dorf Don Sei Ngam und sein Chef
Ein letztes Brummen der beiden LKW-Diesel und der Bug drückt gegen das Uferschilf. Die Matrosen turnen zwischen den Taurollen vor unserem Fenster herum und werfen das lose Ende dem neuen Leichtmatrosen zu, der heute zum ersten Mal allein am lehmigen Ufer den überlangen Eisennagel mit dem Vorschlaghammer in die Böschung treibt, um das Tauende daran festzumachen.
Ganz oben, am Ende einer steinernen Treppe warten die Kinder vom Dorf Don Sei Ngam neugierig auf die fremden Ankömmlinge. Doch bevor wir das Schiff verlassen können, müssen die Matrosen das untere Ende der Treppe erst mit Hacke und Spaten vom Schlamm des Hochwassers aus der Regenzeit befreien. Hier hat schon seit Monaten kein Schiff mehr festgemacht.
Ben, unser Cruise Director, verlässt als erster das Schiff und scherzt mit den Kindern auf Laotisch, die ihn von früheren Besuchen noch kennen. Wir wollen auf einem Landausflug die Tham Ba Beuk Höhle besuchen und brauchen dafür das wohlwollende Einverständnis des Dorfältesten. In Zeiten der kommunistischen Einheitspartei ist das sicher nicht der „Älteste“, ebenso wenig wie er frei gewählt wurde – zumindest nicht in unserem demokratischen Sinne. Nichts desto weniger geht ohne ihn nichts.
Das Opfer für die Geister der Höhle
Den Esoterikern unter uns versichert Ben, dass das schon seine Ordnung habe, schließlich würden die Hühner heute Abend im Suppentopf des Gemeinschaftshauses landen. Für die dadurch dem Dorf entstehenden Unkosten kommt selbstverständlich der Kapitän auf (künftig wird das Prozedere sicher auf die Entrichtung der Opfergebühr verkürzt).
Den halbstündigen Marsch zur Höhle in der sengenden Hitze der Mittagssonne macht zwar nur der harte Kern der Reisegesellschaft mit, aber dafür begleitet uns neben dem Chef noch eine Truppe hilfsbereiter, jugendlicher Lampenträger vom Dorf.
Vom Feldweg, der an der Höhle vorbei zu den Maisfeldern des Dorfs führt, ist es noch eine kurze Kletterpartie über größere und kleinere Felsbrocken bis zum riesigen Höhlenportal. Nach kurzer Zeremonie lässt sich der Chef nieder und gibt zu verstehen, dass die Geister mit uns wären, er aber lieber hier auf unsere Rückkehr wartet – einer muss ja Hilfe holen, wenn uns die Geister nicht mehr hergeben.
Die Höhle der großen Schlange
Nach einigen Schritten weiter um eine Biegung ist es nur noch das spärliche Licht der Taschenlampen, in dem wir unsere Umgebung erkennen. Die Höhle ist immer noch riesig und verengt sich nicht merklich. Da, an der rechten Höhlenwand ist ein Tropfsteingebilde, das vor der glatten Felswand wie ein Triptychon über dem Kirchenaltar anmutet. Während Ben mit Petra und den Jungen aus dem Dorf vorsichtig tiefer in die Höhle vordringt, will ich dieses prachtvolle Kunstwerk der Natur fotografieren. Mit Satellitenblitz, Wanderstockstativ und meiner Pentax ist das in der absoluten Finsternis doch eine Herausforderung. Meine beiden Begleiter leuchten mit ihren Lampen geduldig, damit ich nicht über meine Utensilien stolpere und schließlich klappt es nach ein paar Versuchen ganz prima.
Bis ich alles wieder eingepackt habe, sind die anderen in der Tiefe der Höhle verschwunden. Also los! Nach zwei- dreihundert Metern wird die Höhle etwas enger, steigt ein paar Meter und biegt nach rechts ab. Nachdem wir die Engstelle passiert haben, weitet sich der Gang wieder und wir sehen die Lampen der Anderen ein ganzes Stück voraus schräg unter uns. Sie warten auf uns und als wir sie erreicht haben, gehen wir gemeinsam den schmalen Pfad weiter, bis der sich steil absenkt und wir tiefer unten, gerade noch vom Licht der Taschenlampen erhellt Wasser glitzern sehen.
Wir sind etwa sieben bis achthundert Meter tief im Berg und einhellig der Meinung, die Geister der Ahnen nicht länger strapazieren zu wollen. Auf dem Rückweg bemerken wir an zwei Stellen, dass sich die Höhle gabelt und irgenwer vor uns mit Kohle Markierungen für den rechten Weg angebracht hat. Einer der Jungen biegt links ab und wir gehen rechts weiter. Nach fünfzig Metern sehen wir ihn zehn Meter tiefer mit der Lampe blinken. Wir warten bis er wieder zu uns hoch gekraxelt ist und setzen gemeinsam unseren Rückweg fort.
Wohlbehalten zurück
Jetzt aber im Eilmarsch zurück zum Schiff, schließlich warten die Anderen bestimmt schon mit dem Lunch auf uns. Außerdem muss so ein Abenteuer mit Beerlao gewürdigt werden.
Die Kinder winken uns zum Abschied und freuen sich immer noch über die Luftballons, die Horst und Holger mit ihnen gemeinsam aufgeblasen hatten, während wir in der Höhle waren.